Page - 122 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
Image of the Page - 122 -
Text of the Page - 122 -
120 | www.limina-graz.eu
Agnethe Siquans | âDie Speise des Wortes Gottes essenâ
ihrem religiösen Leben in Verbindung (vgl. die Einleitung in Siquans 2021).
Auch die Speisevorschriften, Hinweise auf Speiseopfer oder das Essen von
Opferfleisch interpretiert Origenes spirituell. Dabei zeigt sich, dass â nicht
nur beim Essen, aber dort besonders â in diesen Auslegungen in vielen FĂ€l-
len das Wort Gottes und sein richtiges VerstÀndnis im Zentrum stehen.
2 Speise als Wort Gottes
Zu Origenesâ sprituellem Programm gehört wesentlich die Askese, die
Teil des Kampfes gegen die Begierde als Ursache der SĂŒnde ist und auch
das Fasten, also die Enthaltung von Speise und Trank, umfasst. Mit Paulus
(1 Kor 9,27; Kol 3,5) legt er seinen Zuhörer/innen das QuÀlen des Körpers
und das Töten der irdischen Glieder als Mittel auf dem Weg zu spirituellem
Fortschritt nahe (in Lev. hom. 1,5). Daher lenkt er seinen Blick kaum auf
den materiellen, physischen Aspekt des Essens, sondern konzentriert sich
auf dessen geistige Bedeutung.
Bemerkenswert ist jedoch, dass er die Speise in spirituellem Sinn kaum auf
die eucharistische Speise bezieht, wie es sich in christlichem Kontext na-
helegen könnte, sondern vielmehr das Wort in den Vordergrund tritt, auch
in seinem VerstÀndnis der Eucharistie selbst, wie etwa Lothar Lies deutlich
macht:
âDie Analogisierung der Kultspeise auf das den Logos in Brot und Wein
vergegenwÀrtigende Wort der Anamnese hin (VerbalprÀsenz) und die
starke Betonung des Wortgeschehens, das nicht nur die traditionelle
Deutung der Gaben, sondern auch die Funktion der sakramentalen Ge-
stalten selbst ĂŒbernimmt, um der Seele den ganzen Logos-Christus zu
vermitteln, zeigt die Verwortungstendenz der Eucharistieauffassung des
Origenes. Deren hauptsÀchlichstes Anliegen ist es, der Seele den Logos
mitzuteilen.â (Lies 1982 [1978], 344)4
Hier ist in unserem Kontext besonders ein Blick auf die Deutung des Essens
des Paschalammes aufschlussreich. Harald Buchinger kommt diesbezĂŒg-
lich zu folgendem Schluss:
âWo er das Essen vom Fleisch des Lammes als Teilhabe an Christus als
dem Logos interpretiert, steht nicht die liturgisch-sakramentale Ver-
mittlung, sondern das Medium der Schrift im Vordergrund seiner Inter-
pretation; [âŠ] Auch wenn Origenes mit Zitaten der johanneischen Brot-
den göttlichen BĂŒchern vorgelesen
wird, in der nichts dunkel erscheint,
nehmen sie sie gerne an, wie es zum
Beispiel das BĂŒchlein Ester oder Ju-
dit oder auch Tobit ist oder die Ge-
bote der âWeisheitâ; wenn ihm hin-
gegen das Buch Levitikus vorgelesen
wird, stöĂt der Geist unablĂ€ssig an
und er flieht diese Nahrung, als wÀre
es nicht die seine. Denn der gekom-
men ist, um zu lernen, Gott zu ver-
ehren, die Gebote seiner Gerechtig-
keit und Frömmigkeit anzunehmen,
hört, dass Gebote ĂŒber Opfer gege-
ben und Opferriten gelehrt werden,
wie sollte er da nicht unablÀssig das
Gehör abwenden und die Speise als
gleichsam nicht fĂŒr ihn passend
zurĂŒckweisen?â (in Num. hom. 27,1;
Baehrens 1921, 256)
4 Zum VerhĂ€ltnis von âLeib Christiâ
als Eucharistie und âLeib Christiâ als
Wort vgl. auch Lubac 1968, Kap. âDer
Primat des Wortesâ, 424â435.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven