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Agnethe Siquans | âDie Speise des Wortes Gottes essenâ
wo: âEiner meint, alles zu essen; der aber schwach ist, soll GemĂŒse essenâ
(Röm. 14,2); und wiederum anderswo: âFĂŒr die Vollkommenen aber ist
die feste Speiseâ und so weiter (Hebr. 5,14).â (in Lev. hom. 5,7)7
Das impliziert zuallererst den Anspruch an die Lehrenden, sich auf die-
se unterschiedlichen Gruppen im Publikum einzustellen und ihre Didak-
tik entsprechend zu gestalten. FĂŒr die Glaubenden, die am Beginn stehen,
und fĂŒr solche, die noch nicht so sicher sind, gibt es vertrĂ€glichere Kost als
fĂŒr die weit Fortgeschrittenen, die auch schwer Verdauliches, also Fleisch,
vertragen. Die Speisemetaphorik in Bezug auf die Lehre wird hier mit Pau-
lus zum Ausdruck gebracht.8
Die Speisemetaphorik ist dabei primÀr auf die Weise der Vermittlung des
Wortes der Schrift bezogen. Immer aber steht das richtige Verstehen des
biblischen Textes als Wort Gottes im Mittelpunkt.
Das WiederkÀuen der Schrift: Die Interpretation der Speisegebote
Die Speisegebote in Lev 11 regeln detailliert, welche Tiere als rein und unrein
gelten und daher gegessen oder nicht gegessen werden dĂŒrfen. Als Grund-
regel fĂŒr am Land lebende Tiere formuliert V.3: âAlle Tiere, die gespaltene
Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkĂ€uen, dĂŒrft ihr essen.â Origenes
geht bei seiner spirituellen Auslegung auf zwei Punkte ein: zunÀchst das
WiederkÀuen, das er als intensives und wiederholtes BeschÀftigen mit der
Heiligen Schrift deutet, und die gespaltenen Klauen bzw. Hufe, die er als
doppelten Blick auf das gegenwĂ€rtige und zukĂŒnftige, das jenseitige, Leben
interpretiert.
âZuerst wollen wir also sehen, wer die sind, die wiederkĂ€uen und geteilte
Hufe haben, die er als rein bezeichnet. Ich glaube, dass von dem gesagt
wird, dass er wiederkĂ€ut, der sich um Erkenntnis bemĂŒht und âĂŒber das
Gesetz des Herrn nachsinnt bei Tag und bei Nachtâ (Ps. 1,2). Höre jedoch,
wie gesagt wird: âDer geteilte Hufe hatâ, heiĂt es, âund wiederkĂ€ut.â (Lev.
11,3) Es kÀut also wieder, wer das, was er nach dem Buchstaben liest,
zum geistigen Sinn zurĂŒckruft und vom Untersten und Sichtbaren zum
Unsichtbaren und Höheren aufsteigt. Wenn du jedoch ĂŒber das göttliche
Gesetz nachsinnst und das, was du liest, zum genauen und zum geistigen
7 Derselbe Gedanke wird auch in
Lev. hom. 4,6 und 16,2 formuliert.
8 FĂŒr Origenes geht auch der Heb-
rĂ€erbrief auf Paulus zurĂŒck.
FĂŒr die Glaubenden, die am Beginn stehen, gibt es vertrĂ€glichere
Kost, fĂŒr die Fortgeschrittenen auch schwer Verdauliches.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven