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Dilek Bozkaya und Alfred Garcia Sobreira-Majer | Interreligiöses Lernen am Buffet
Imam Zeynel Abidin, dem Urenkel des Propheten Muhammed, ihren Dank
zum Ausdruck (vgl. Aksünger-Kizil/Kahraman 2018, 117). Mögliche zwölf
Zutaten für eine Aşure können sein: Wasser, Zucker, Salz, Weizen, Datteln,
Haselnüsse, Walnüsse, Pinienkerne, Rosinen, Feigen, Mandeln und Apri-
kosen. Die fertige Suppe wird dann im Anschluss unter Bekannten, Ver-
wandten und Nachbarn verteilt. Auch im Cem-Haus wird eine Aşure ge-
kocht und von einem Dede gesegnet. Der Terminus, welcher von Alevit:in-
nen üblicherweise bei der Annahme einer gesegneten Speise gesagt wird,
heißt „Allah kabul etsin“ (wörtlich: Möge Gott dies annehmen).
In der Diaspora entsteht parallel zu der Sichtbarwerdung des Alevitentums
eine neue Tradition. Immer häufiger nehmen Alevit:innen den Aşure-Tag
als Anlass dafür, um eine gemeinsame Speisung für interessierte Mitbür-
ger:innen zu veranstalten. Dadurch möchten sie den interreligiösen Dialog
fördern und zugleich eine interreligiöse Begegnungszone mit einer süßen
Konnotation verbinden. An einer Volkschule in Imst hatte im Jahre 2017 die
alevitische Religionslehrerin Funda Dogan eine kulinarische und zugleich
dialogfördernde Idee:
„Ich versuche immer wieder, den alevitischen Religionsunterricht so
praxisnah wie möglich zu gestalten. Da fiel mir ein, dass ich zu Muhar-
rem meine selbstgekochte Aşure mit meinen Schüler:innen teilen könnte.
Zeitgleich wurde ich von einer Kollegin über unsere Fastenzeit befragt
und merkte, wie abstrakt so eine süße Suppe für viele klingen konnte. So
entstand die Idee, die Suppe auch in der Schule Schüler:innen und Kol-
leg:innen anzubieten. Die Direktorin begrüßte meine Idee und wir stell-
ten in der bewegten Pause einen Stand auf, wo auch Bilder und Begriffe
aufgehängt wurden. Auch ein Dede aus meiner Gemeinde war an diesem
Tag anwesend. In der Schule nannten wir die Aşure auch Dankessuppe
und diese wurde mit großem Interesse angenommen.“ (Dogan, persön-
liche Kommunikation, 19. Jänner 2021)
Eine andere süße Speise, die im Alevitentum mit Trauer verbunden wird, ist
das Helva. Da in den ersten drei Tagen der Trauerzeit im Hause eines ver-
storbenen Menschen nicht gekocht wird, bereiten Verwandte und Nach-
barn das Helva zu und bringen es mit. Dafür rösten sie Grieß oder Mehl in
Butter goldbraun an, nehmen es vom Herd und verrühren es mit Zucker-
wasser zu einem Brei. Das mitgebrachte Helva wird den trauernden Gästen
Die patrilineare Abstammung vom
Propheten Muhammed und anderen
alevitischen Heiligkeiten ist eine
unbedingte Prämisse, was die Aus-
wahl der religiösen Oberhäupter
betrifft. Denn sie sind die Bewahrer
der verborgenen Lehre (vgl. Aksün-
ger-Kizil/Kahraman 2018, 75–76).
Interreligiöse Begegnungszone mit einer süßen Konnotation
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven