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Kurt Remele | Ein Fisch namens Jesus
Was Fische theologisch auszeichnet
Warum Fische bis heute als klassische christliche Fastenspeise gelten, hat
mehrere GrĂĽnde. Aus der Perspektive des Ersten Testamentes nehmen Fi-
sche unter den Tieren insofern eine Sonderstellung ein, als sie die als Strafe
Gottes verhängte Sintflut offenbar weitgehend schadlos überstanden. Bis-
weilen wird dies als Hinweis auf ihr Freisein von SĂĽnde interpretiert. Nach
dem Ende der Sintflut wurden die Fische Noah und seinen Söhnen zusam-
men mit den Tieren der Erde, den Vögeln des Himmels und den grünen
Pflanzen, die im prälapsarischen Paradieseszustand noch die einzige Nah-
rungsquelle für Mensch und Tier darstellten, zum Verzehr in die „Hand …
gegeben“ (Gen 9,2). Wie Leviticus ausführt, waren allerdings nur solche
Fische „rein“ und zur Speise geeignet, die Flossen und Schuppen hatten
(vgl. Lev 11,9–12).
Das Neue Testament berichtet, dass Jesus ein Nahverhältnis zu den Fischern
am See Genezareth hatte. Vier von ihnen berief er in seinen JĂĽngerkreis und
machte sie so zu „Menschenfischern“ (Mk 1,17). Fische galten zur Zeit Jesu
in Palästina als Grundnahrungsmittel, sie wurden häufiger konsumiert als
das Fleisch von Landtieren, das nur selten gegessen wurde. In allen Evan-
gelien wird berichtet, dass Jesus fĂĽnf Brote und zwei Fische vermehrte, um
eine riesige Menschenmenge zu speisen (vgl. Mt 14,13–16 parr). In zwei
Evangelien wird berichtet, dass Jesus seinen JĂĽngern den Fang einer wun-
derbar groĂźen Menge an Fischen bescherte, nachdem sie die ganze Nacht
nichts gefangen hatten. Im Lukasevangelium (Lk 5,1–11) findet dieses
Wunder vor Jesu Tod und Auferstehung statt. Im Johannesevangelium wird
es im von einem Redakteur angefĂĽgten Kapitel 21 geschildert, als der Auf-
erstandene den Seinen am See Genezareth erschienen ist (vgl. Brown 1970,
1063–1100).
Nach einer verbreiteten Interpretation verweist sowohl die lukanische als
auch die johanneische Erzählung vom reichen Fischfang auf die apostoli-
sche Mission, die Jesus seinen JĂĽngern aufgetragen hat: Menschen fĂĽr den
Dienst am Reich Gottes zu gewinnen. Bei Johannes ist zudem eine eucha-
ristische Komponente vorhanden: Als die JĂĽnger an Land gegangen wa-
ren, sahen sie ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot. Jesus forderte
sie auf, einige von den Fischen zu bringen, die sie gerade gefangen hatten
und diese zu essen. In einem seiner Vorträge über das Johannesevangelium
Jesu Nahverhältnis zu den Fischern am See Genezareth
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Volume 4:2
- Title
- Limina
- Subtitle
- Grazer theologische Perspektiven
- Volume
- 4:2
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 4.0
- Size
- 21.4 x 30.1 cm
- Pages
- 214
- Categories
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven