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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Page - 23 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik

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Naiver Realismus? Zur Gegenständlichkeit des Sammelns    23 Dass die Logik der Sammlung aus ihrer Gegenständlichkeit zu rekonstruieren ist, bedeutet, dass ein Verständnis jeder Sammlung vom Verständnis nicht nur der in ihr enthaltenen Gegenstände oder der Überzeugungen, Schematisierungen und Praktiken abhängig ist, aufgrund derer sie zustande gekommen ist, sondern von einer möglichst genauen Analyse und Beschreibung der Relationen zwischen Sammlungsgegenständen und -kontexten, Sammlern und Sammlungsnutzern. Das klingt banal, ist es aber angesichts des theoretischen Diskussionsstandes nicht. Das gegenständliche Denken ist deskriptiv im Sinne des Eingeständnisses, dass jedes Beschreiben auch ein Erschreiben ist. Die sprachlich-konzeptuelle Reflexion der Gegenstände geht von (historisch veränderlichen) Affordanzen der Gegenstände aus, die durchaus auch präreflexiver (d. h. nicht automatisch dis- kursiver) Natur sein können. Sie wird durch die Vermittlung mit unseren vorge- prägten Einteilungen der Gegenstände zur Gegenständlichkeit, die allein das Vermögen hat, diese Einteilungen zu verändern. Gegenständlichkeit ist in diesem Sinne auch ein historisches und skalierbares Phänomen. Die Gegenständlichkeit einer privaten Schallplattensammlung ist gewiss einfacher zu beschreiben als eine Sammlung zeitgenössischer Medieninstallationen. Für die eigene Schall- plattensammlung reicht ein vortheoretisches Sammlungsmodell und damit ein metaphysischer Realismus aus, für die Medienkunst ist schon die Frage nach der Abgrenzung und Bestimmung der Gegenstände Teil der Erlebnisrelation. Für die Logik der Sammlung bietet die Gegenständlichkeitsphilosophie zwei weitere Vorteile. Erstens löst sie die Gegenstände, auf die sie sich bezieht, nie völlig in der Beschreibung, den Praktiken oder den Affordanzen auf. Sie erkennt das ‚Entgegenstehende‘ der Eigenlogik an, das deshalb immer wieder neuer Be- und Erschreibungen bedarf. Weil sie, zweitens, von der grundlegenden Veränder- lichkeit der Erlebnisrelationen ausgeht, die Auswirkung auf unser Selbstver- ständnis, aber auch auf das Verständnis der Gegenstände selbst hat, reduziert sie Sammlungen nicht auf ihre Urheber. Aus gegenständlicher Sicht ergibt sich die Logik der Sammlung immer in einem Hier und Jetzt der Begegnung. Eine Samm- lung, die irgendwann auf vortheoretischem Wege zustande kam, mag plötzlich in neuem Licht erscheinen. Man denke an die Aura historischer Sammlungen und Kuriositätenkabinette, in denen nicht nur historische Gegenständlichkeiten kon- serviert werden, sondern die unbewusst auch Gegenständlichkeiten enthält, die sich erst späteren Betrachtern eröffnen, die jenseits der Sammlerintention neue Bezüge oder sogar neue Gegenstände in ihnen entdecken. Deshalb ist die Bewah- rung und kulturwissenschaftliche Aufbereitung historischer Sammlungen zu einem zentralen Forschungsfeld geworden. An der Gegenständlichkeit der Sammlung entscheidet sich die Historizität ihrer Logik, die zugleich von ihrer Integrität auszugehen hat.
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Title
Logiken der Sammlung
Subtitle
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Authors
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
202
Keywords
Archiv, Nachlassinventar
Categories
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