Page - 62 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Image of the Page - 62 -
Text of the Page - 62 -
62â â
Li Gerhalter
Beispiel auch viele Lebenserinnerungen im Bestand.11 Auch wenn die Namen
dieser Einrichtungen also nicht exklusiv verstanden werden, sind sie mit Sicher-
heit eine Richtschnur, was ĂŒberhaupt angeboten wird.
Mitunter lancieren Sammlungseinrichtungen fĂŒr konkrete Forschungs- oder
Ausstellungsvorhaben auch thematische Aufrufe. Mehrere BĂ€nde der Editions-
reihe Damit es nicht verloren geht ⊠der Dokumentation lebensgeschichtlicher
Aufzeichnungen sind auf solchen Initiativen aufgebaut. Die gezielte Auswahl und
insbesondere das konkrete Einwerben ermöglichen schlieĂlich eine themen- oder
genrebezogene Spezialisierung von SammlungsbestÀnden.
Die andere Herangehensweise ist das Provenienzsystem, bei dem nicht von
vornherein Ausschlusskriterien feststehen. Diese Aufnahmepolitik wird von der
Sammlung FrauennachlĂ€sse verfolgt. Dabei kann das, was als âNachlassâ von
einer Person ĂŒbergeben wird, sehr umfangreich sein â möglicherweise aber auch
nur aus einem einzelnen Dokument bestehen. In begrenztem AusmaĂ werden
von der Sammlung FrauennachlÀsse zudem kleine GegenstÀnde wie Orden oder
Abzeichen, sogenannte Judensterne, Schatullen, Koffer, Handtaschen etc. ange-
nommen, wenn diese eine gewisse Erinnerungsfunktion erkennen lassen.12
Insgesamt evoziert der offene Zugang eine Breite des dokumentierten Quel-
lenspektrums. Die Dokumentation der quellenimmanenten Formenvielfalten
setzt dann freilich eine gewisse FlexibilitÀt in der Verzeichnung voraus. Das kann
gleichzeitig neue genrespezifische Erkenntnisse ermöglichen, wie sich anhand
des folgenden Beispiel illustrieren lÀsst: Von den derzeit in der Sammlung Frau-
ennachlÀsse archivierten 429 Vor- und NachlÀsse enthalten 97 von Frauen und 29
von MĂ€nnern (auch) TagebĂŒcher. Im Katalog und Dokumentenregister sind diese
Quellen als âTagebĂŒcherâ aufgenommen, sie werden aber zudem noch ihren ver-
schiedenen Formen entsprechend verzeichnet. Die dazu verwendeten Benennun-
gen wurden aus dem vorliegenden Material heraus entwickelt (vgl. Gerhalter
2012).13 Diese Art der pragmatisch verfeinerten Katalogisierung erleichtert den
11â 2017 lagen von insgesamt 4.043 dokumentierten Personen immerhin 2.932 retrospektiv ver-
fasste Lebenserinnerungen vor (vgl. Gerhalter 2017, 384). In der online verfĂŒgbaren aktuellen
Satzung des TrĂ€gervereins des Archivs von 2015 findet sich die entsprechende Angabe: âZweck
des Deutschen Tagebucharchivs ist die Sammlung autobiographischer Lebensberichte.â
12â
Der Bestand der Sammlung FrauennachlÀsse kann entsprechend als ausgeweitete Sammel-
zone bezeichnet werden. Derzeit sind solche Erweiterungen in 131 (von 429) Vor- oder NachlÀs-
sen dokumentiert.
13â
Im Fall der âTagebĂŒcherâ im Bestand der Sammlung FrauennachlĂ€sse wurden bisher die fol-
genden zusĂ€tzlichen Bezeichnungen vergeben: KindertagebĂŒcher; JugendtagebĂŒcher; Brieftage-
bĂŒcher; ElterntagebĂŒcher oder Geburtenverzeichnisse; Reise-/Wander-/UrlaubstagebĂŒcher;
WalztagebĂŒcher; wĂ€hrend dem Ersten Weltkrieg gefĂŒhrte TagebĂŒcher; wĂ€hrend dem Zweiten
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik