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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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74    Mario Huber arbeitung. Diese Ausgangslage, die sich auch in den Sammlungen des ÖKA wie- derspiegelt, fĂŒhrt die doppelte Schwierigkeit der Definition vor Augen: Nicht nur, dass sich die Kunstform verĂ€ndert, zudem sind vielfach keine PrimĂ€rtexte vor- handen. Sehr einflussreich war und ist deshalb wahrscheinlich auch JĂŒrgen Henning- sens Zugang, der bereits 1967 in seiner Theorie des Kabaretts mit Blick auf die Rezeption jenseits von Textzeugen festgestellt hat: „Kabarett ist Spiel mit dem erworbenen Wissenszusammenhang des Publikums“ (Henningsen 1967, 9). Und weiter: „Ist Kabarett Spiel mit dem erworbenen Wissenszusammenhang des Pub- likums, dann sind seine möglichen GegenstĂ€nde die Bruchstellen dieses Wis- senszusammenhangs“ (Henningsen 1967, 29). Henningsens Zugang fĂŒhrt zu einer Definition, die wegen ihrer Offenheit und ĂŒberzeitlichen GĂŒltigkeit viele AnhĂ€n- gerinnen und AnhĂ€nger gefunden hat. Sie ist insofern fĂŒr die weiteren Über- legungen von Interesse, als damit bestimmte Praktiken des Selbst und Sub- jektivierungsphĂ€nomene benennbar werden, die wesentliche Bereiche des kabarettistischen Arbeitens adressieren: In einer praxeologischen Wendung beinhaltet das „Spiel mit dem Wissenszusammenhang des Publikums“ implizit die Komponente der Sanktionierung durch ebendieses Publikum bei regel- widrigen Handlungen (vgl. Alkemeyer 2013, 58), wodurch die „Bruchstellen“ im Wissen durch die stĂ€rkere Betonung der Gegenseitigkeit eine aushandelbare Komponente bekommen. Der Wissenszusammenhang wird immer individuell generiert und ist orts- und zeitabhĂ€ngig. Die Frage nach dem Spiel bedeutet in dieser Wendung auch, dass das Publikum bereit sein muss, in das Spiel einzu- treten, was Henningsen anscheinend ĂŒbersieht. Man könnte hier noch weitere ZugĂ€nge erörtern, z. B. Kerstin Pschibls, die die grundsĂ€tzliche Zeitgebundenheit der Inhalte hervorhebt (vgl. Pschibl 1999, 51), oder Arne Kapitzas, der narratologisch zwischen autobiografischer Person, Rah- menhandlung und Typen unterscheidet (vgl. Kapitza 2017, 214). Insgesamt zeigt sich – wie in den meisten Bereichen der literatur- und theaterwissenschaftlichen Begriffsarbeit – eine große Bandbreite, die jeweils mit ihren eigenen UnzulĂ€ng- lichkeiten zu kĂ€mpfen hat; im verschĂ€rften Fall hier zudem mit dem Fehlen einer Textbasis.4 4  Was hier ausgeklammert wurde und aufgrund der UmfangsbeschrĂ€nkung des Texts nicht ein- geholt werden kann, sind die musikalischen Aspekte des Kabaretts. Die lange Tradition der Chansons, Songs und BĂ€nkellieder, die auch oft ĂŒber lĂ€ngere ZeitrĂ€ume mit nur leicht verĂ€nder- ten Texten ĂŒberdauert haben, ebenso oft mit Notationen ĂŒberliefert und auch mittlerweile in der AuffĂŒhrung weitestgehend von den Urhebern unabhĂ€ngig geworden sind, mĂŒssen in diesem Rahmen als Kontrast zum Gesagten stehen bleiben. Eine mögliche Anschlussstelle fĂŒr einen pra- xeologischen Zugang sollte sich jedoch aus dem Dargestellten erschließen.
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Title
Logiken der Sammlung
Subtitle
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Authors
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
202
Keywords
Archiv, Nachlassinventar
Categories
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