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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Kleine Literaturen – kleine Archive?    95 „kleiner Literaturen“ (Kafka 1990, 132) auseinandergesetzt. Seine Tagebuchein- tragungen sind eine Analyse der Bedingungen, unter denen sich Randliteraturen entfalten. Als Anschauungsmaterial diente Kafka die tschechoslowakische Natio- nal literatur, fĂŒr die die deutschsprachige Prager Literatur ein RandphĂ€nomen war. ‚Kleine Literatur‘ bedeutet nach Kafka nicht die Literatur einer kleinen Sprache, sondern die Literatur einer Minderheit, die sich einer großen Sprache bedient. Im Französischen heißt es nicht petite littĂ©rature, sondern beziehungs- reicher littĂ©rature mineure (im Gegensatz zur großen, anerkannten, wohletablier- ten littĂ©rature majeure) – „klein“ ist also stets in AnfĂŒhrungszeichen zu ver stehen. Gilles Deleuze und FĂ©lix Guattari machen in ihrem Buch Kafka. FĂŒr eine kleine Literatur drei Charakteristika kleiner Literaturen geltend: (1) Deterritoriali- sierung der großen Sprache; (2) die Koppelung des Individuellen ans unmittelbar Politische und (3) Kollektivcharakter der Aussagen (vgl. Deleuze und Guattari 2002, 24–39). Die Autoren zeigen aber auch, dass Deterritorialisierung durch asi- gnifikanten, intensiven, verfremdenden Sprachgebrauch der Literatur als „kol- lektiver Ausdrucksmaschine“ eingeschrieben ist und dass ‚klein‘ als Adjektiv nicht nur „bestimmte Sonderliteraturen, sondern die revolutionĂ€ren Bedingun- gen jeder Literatur [qualifiziert], die sich innerhalb einer sogenannten ‚großen‘ (oder etablierten) Literatur befindet“ (Deleuze und Guattari 2002, 27). FĂŒr Jeanne Glesener ergeben sich aus der breiten, undifferenzierten Anwendung des Begriffs eine Reihe von Problemen, die sich aus dem Kern der Definition ergeben, die auf „Literatur, die eine MinoritĂ€t in einer großen Sprache produziert“ (Glesener 2019, 54), verweist. Beziehe man das Adjektiv ‚klein‘ auf den Grad der Ausbildung eines Literatursystems, der sich an der Zahl der Akteure, Institutionen, sowie der Qua- litĂ€t der literarischen Produktion zeige, könne der Begriff fruchtbar fĂŒr systemi- sche und literatursoziologische Auseinandersetzungen mit ‚kleinen Literaturen‘ gemacht werden (vgl. Glesener 2019, 60). Wie aber lĂ€sst sich durch das Adjektiv ‚klein‘ die Eigenart von Literaturarchiven charakterisieren? Sind quantitative Kri- terien fĂŒr die Bestimmung einer ‚kleinen Literatur‘ in ‚großen Archiven‘ aus- schlaggebend? Spiegeln sich NachlĂ€sse ‚kleiner Literaturen‘ auch im Sammlungs- profil ‚großer Archive‘ wider? Auch in der Archivlandschaft spielen Kategorien von Ausdehnung, Bedeutung und Umfang sowie das Zentrum-Peripherie-Para- digma eine Rolle. In Dietmar Schenks „PlĂ€doyer fĂŒr kleine, jedenfalls nicht allzu große Archive“ sind Archive fĂŒr eine „differenzierte Geschichtskultur [
] uner- lĂ€sslich“ (Schenk 2014, 96). Zentralisierte Archive in der Mitte der Archivland- schaft verfĂŒgen zwar ĂŒber einen spezifischen „Gestus der ReprĂ€sentation“, doch reichten sie, so Schenk, „nicht ĂŒberall hin, wo Archivalien liegen“ (Schenk 2014, 57). WĂ€hrend Archive, die an der Peripherie angesiedelt sind, sich zwar in einer Ă€hnlichen, doch unterschiedlichen Situation befĂ€nden, unterscheiden sie sich in ihrer Charakteristik nicht von den „baulich und archivtechnisch gut ausgestatte-
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Title
Logiken der Sammlung
Subtitle
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Authors
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2020
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
202
Keywords
Archiv, Nachlassinventar
Categories
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