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Einblicke in klösterliche Archive und Bibliotheken am Beispiel von St. Florianâ â
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g)â NachlĂ€sse
Jahrhundertelang wurden nach dem Tod von Ordensmitgliedern keine persönli-
chen SchriftstĂŒcke oder Dokumente archiviert. Ab dem 17. Jahrhundert legte man
beim Tod von Pröpsten die vorgeschriebenen Gesamtinventare ĂŒber das Stiftsver-
mögen an. Erst im frĂŒhen 19. Jahrhundert setzte sich das Bewusstsein durch, dass
die private Korrespondenz und die schriftlichen Aufzeichnungen von wissen-
schaftlich oder literarisch tĂ€tigen MitbrĂŒdern von Bedeutung und erhaltenswert
sind. Die systematische Errichtung von NachlÀssen begann im Stift St. Florian
mit zwei angesehenen Gelehrten unter den Chorherren, dem Theologen Franz
Josef Freindaller (1753â1825) und dem Historiker Franz Kurz (1771â1843).
Eine Anregung des Ăsterreichischen Staatsarchivs zur NachlasserschlieĂung
fĂŒhrte in St. Florian 2013 zu einer entsprechenden Initiative. Innerhalb von zwei
Jahren konnten die elf wichtigsten NachlÀsse des 19. Jahrhunderts katalogisiert
und in sĂ€urefreie UmschlĂ€ge und Schachteln (104 StĂŒck) umgelagert werden.
Dabei waren u. a. 8.500 Briefe nach Absendern zu ordnen und einzeln zu katalo-
gisieren.
Die NachlÀsse der Chorherren enthalten neben eigenen Werken Briefe von
berĂŒhmten Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Kunst und Literatur, dar-
unter regionale Autorinnen wie Caroline Pichler, Enrica von Handel-Mazzetti und
Hedda Wagner, aber auch von internationalen GröĂen wie Joseph von Hormayr,
Joseph von Hammer-Purgstall, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und
Theodor Mommsen. Im Nachlass von Ernst Marinelli (1824â1887) fand sich uner-
wartet ein unbekannter Brief Adalbert Stifters, der 2005 in einer Sonderausstel-
lung zu Stifters 200. Todestag prÀsentiert wurde (vgl. Buchmayr 2007). Zwei
unbekannte Originalbriefe Anton Bruckners kamen im Nachlass Gottfried Schnei-
dergrubers (1879â1941) zum Vorschein (vgl. Buchmayr 2013).
Zu den originellsten Teilsammlungen innerhalb der NachlÀsse zÀhlt das 1890
begonnene Reisejournal in Form von Ansichtskarten des Chorherrn Christoph
von Chiusole (1875â1943), das 61 BĂ€nde mit 20.000 Ansichtskarten umfasst und
chronologisch geordnet ist.7
h)â Publikationen
Aus der Vielzahl von Veröffentlichungen zum Stiftsarchiv sind zwei gröĂer ange-
legte Werke hervorzuheben. In den Jahren 1963, 1978 und 1979 wurden von Stu-
7â Die 16.700 Ansichtskarten mit Oberösterreich-Motiven aus der topografischen Sammlung sind
2008 digitalisiert worden und können online betrachtet werden: http://www.doris.at/themen/
geschichte/hist_ansichten.aspx (25.11.2019).
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik