Page - 178 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Johannes John
dere âder persönlichen Handschriftâ (Hofman 1984, 109) eines Dichters hervor-
hebt. Die zitierten Passagen finden sich in einem 1984 in Linz gehaltenen Vortrag
mit dem Titel Bericht ĂŒber das Prager Adalbert-Stifter-Archiv. Was nicht nur eine
erste Ortsbesichtigung erlaubt, sondern zugleich mitten in die spezifische Frage-
stellung â nĂ€mlich dem Zusammenhang von ,Archiv und Politikâ â fĂŒhrt.
Dass auch das scheinbar weltabgewandte, oft als selbstvergessenes Glasper-
lenspiel getadelte historisch-kritische Edieren, die tatsĂ€chlich oft mĂŒhsame Ent-
zifferung handschriftlicher Vorlagen und ihre Ăbertragung in Lesetext und
Apparat, keine BeschÀftigung ist, die sich im luftleeren, sprich: politisch unbe-
rĂŒhrten Raum ereignet, bedarf unter Fachleuten wohl keiner nĂ€heren ErlĂ€ute-
rung, obgleich die erste Assoziation hier eher wissenschaftspolitischen, noch
genauer: ökonomischen Aspekten gelten dĂŒrfte â etwa dem Zugang zu Fördermit-
teln öffentlicher wie privater Art, worauf solche Langzeit-Projekte zu ihrer Siche-
rung oft ĂŒber Jahrzehnte hinweg angewiesen sind und deshalb unter einem nicht
unbetrÀchtlichen Erfolgs- wie Rechtfertigungsdruck stehen.
Im Falle Adalbert Stifters â 1805 im böhmischen Oberplan geboren und 1868
in Linz verstorben â sind die beiden historisch-kritischen Werkausgaben, die mit
den Samm lungen seines handschriftlichen Nachlasses jeweils in ursÀchlichem
Zusammenhang stehen, jedoch in Planung wie Projektverlauf von den unmittel-
baren zeitpolitischen UmstÀnden nicht zu trennen. Dies betrifft im ersten Teil das
Prag an der Wende zum 20. Jahrhundert und die dort von August Sauer begrĂŒn-
dete Prag-Reichenberger-Ausgabe (im Folgenden PRA), sodann die noch nicht
abge schlos sene, immerhin aber bereits 39 BĂ€nde umfassende Historisch-Kritische
Ausgabe der Werke und Briefe Adalbert Stifters (im Folgenden HKG), deren Vorge-
schichte unmittelbar in den kulturpolitischen Konstellationen der 60er-Jahre des
vergangenen Jahrhunderts wurzelt. Zu Linz und MĂŒnchen sowie Genf dann im
zweiten Teil.
Die Geschichte der PRA, in 25 BĂ€nden erschienen und mit dem letzten, nicht
unbedingt geglĂŒckten Band erst 1979 abgeschlossen (vgl. zu diesem Bergner
1982), ist gut dokumentiert und hier nicht das Thema, deshalb dazu in aller KĂŒrze
(vgl. allgemein zu den beiden historisch-kritischen Stifter-Werkausgaben: StĂŒben
2017; Hettche und John 2017). Als der Prager Ordinarius August Sauer den Plan
hierzu erstmals 1898 vorlegte, war die dortige Karls-UniversitÀt bekanntlich seit
dem 28.Â
Februar 1882 per Gesetz in eine deutsche und tschechische, jeweils selb-
stÀndige Alma Mater getrennt worden, was auch ihre germanistischen Seminare
betraf (vgl. Höhne 2017, 18â21). In jener Periode sich verschĂ€rfender, zunehmend
unversöhnlicher nationaler Konflikte und ethnischer Emanzipationsbestrebun-
gen, wie sie die SpÀtphase der Habsburger Monarchie generell kennzeichneten,
war schon die GrĂŒndung der âGesellschaft zur Förderung deutscher Wissen-
schaft, Kunst und Literatur in Böhmenâ im Jahre 1890 ein bewusster Akt nationaler
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik