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Archiv und Politik
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hen Platz genommen hatte. Als die Ausrufungspreise in der Folge im buchstäblichen Sinne
des Wortes hinauflizitiert wurden, da zeigte Herr Dr. Hauswedell jeweils über die Köpfe der
in den ersten Reihen Sitzenden hinweg, wenn der Vertreter Münchens mitsteigerte. Es
bestand also die Absicht, mit dem Vertreter von Linz nicht zusammenzukommen. Das ist
die Wahrheit, die niemand bestreiten kann! 13
Wenig überraschend dominierte den Pressespiegel und hier vor allem die diver-
sen Schlagzeilen vor allem die Magie der großen Zahl, sprich erlösten Summe,14
ebenso wenig überraschend mit jeweils denkbar unterschiedlichen nationalen
Akzentuierungen. So dürfte das offizielle Linzer Fazit, die angebotenen Hand-
schriften seien letztlich ihren Preis „nicht wert“ gewesen,15 verständlicherweise
13 Fritz Hufen erwähnt im Düsseldorfer Handelsblatt vom 30. November 1964 neben dem „Lin-
zer Stifterarchiv“ auch die „Wiener Stadtbibliothek“; das Zitat auf S. 141.
14 Der teure Nachsommer, titelte etwa die Münchner Abendzeitung am 8. Dezember 1964 wie
tags darauf auch das Nürnberger 8-Uhr-Blatt; beide Artikel von Karin Thimm. Die Einschätzung
der Westdeutschen Zeitung in Mönchengladbach vom 7. Dezember 1964 (Um Stifter wurde ge-
kämpft) mag hingegen zwar für Stifters Wiener Jahre zutreffen, nicht aber für den – freilich von
einer zunehmenden Verschuldung bei seinem Budapester Verleger Gustav Heckenast über-
schatteten – durchaus repräsentativen Lebensstil seiner Linzer Zeit ab 1848: „Stifters Hand-
schriften erbrachten – ein grausiger Hohn auf das armselige Leben des großen Prosaisten – ins-
gesamt 590 000, DM.–“ – Schon vorab hatte Peter Kraft in den Oberösterreichischen Nachrichten
am 4.
November 1964 von „Ausrufpreisen“ gesprochen, „die sich bereits in astronomischer Höhe
halten“.
15 Mit dieser Formulierung wird am 1. Dezember 1964 gleichlautend im Linzer Volksblatt wie in
den Oberösterreichischen Nachrichten Dr. Alois Großschopf (1916–1977) zitiert, der an der Ham-
burger Auktion als Vertreter des „Stifter-Institutes“ teilgenommen hatte und dieses von 1966 bis
1976 leitete; dass es sich bei Großschopf um einen „gebürtigen Böhmerwäldler (aus Deutsch-
Beneschau)“ handelte, wird von Fritz Huemer-Kreiner im Januarheft 1965 des Böhmerwäldler
Heimatbriefs. Monatsschrift für den Heimatkreis Prachtitz eigens erwähnt, was den kulturpoliti-
schen Kontext der Versteigerung nochmals unterstreicht. – Zuvor hatte die in Wien erscheinende
Die Presse am 30. November 1964 unter der Überschrift Der verkaufte Stifter das Vorgehen der
österreichischen Institutionen hart kritisiert: „Wie rasch wechselten in der Politik Millionen, da
es darum ging, eine kleine Koalition zu bevorschussen, und wie armselig verhält man sich zur
gleichen Zeit, da es um das geistige Vermächtnis Österreichs geht! Ja, in Rot-Weiß-Rot zu reden,
fällt eben leichter, als dafür auch etwas zu tun. Gar, wenn man sich dieses Österreich auch noch
was kosten lassen soll! Das Wort: Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu be-
sitzen, scheint vergessen. So wird man denn auch nichts besitzen.“ Bereits am 16. November
1964 hatte in der Presse Herbert Nedomansky in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer
Stiftung für Österreich (so der Titel) angemahnt, in den Oberösterreichischen Nachrichten hatte
Peter Kraft schon am 4. November 1964 die zuständigen Behörden aufgefordert, diese „Sensati-
on ersten Ranges […] für Oesterreich und im besonderen für den Hort des Stifter-Instituts zu ret-
ten.“ – Für die Bereitstellung österreichischer Pressestimmen sei an dieser Stelle Petra-Maria
Dallinger, seit 2004 Leiterin des Adalbert-Stifter-Institutes des Landes Oberösterreich/Stifter-
Haus, sowie deren Mitarbeiterin Margit Auli herzlich gedankt.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Title
- Logiken der Sammlung
- Subtitle
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Authors
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 202
- Keywords
- Archiv, Nachlassinventar
- Categories
- Weiteres Belletristik