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Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
Errichtung des Zweiglagers Gusen
Bereits seit Dezember 1939 kommandierte die Lager-SS in das nur zweieinhalb Kilo-
meter vom KZ Mauthausen entfernte Gusen Häftlinge, die in unmittelbarer Nähe der
Steinbrüche Gusen und Kastenhof ein Häftlingslager zu errichten hatten.48 Entspre-
chend der Planungen wurde mit der Errichtung des Konzentrationslagers Gusen der
konzentrationäre Haftraum in der «Ostmark» mehr als verdoppelt. Bis zur offiziellen
Einrichtung des Lagers Gusen am 25. Mai 1940 bauten die Häftlinge auf zuvor un-
ebenem Gelände ein Lager mit insgesamt 32 Unterkunftsbaracken.49 Der Inspekteur
der Konzentrationslager legte in einem Schreiben an den Lagerkommandanten des
KZ Mauthausen vom 12. Februar 1940 die Truppenstärke für die Lager Mauthausen
und Gusen fest. FĂĽr die Bewachung von Mauthausen waren demzufolge 460Â Mann,
fĂĽr Gusen 600Â Mann vorgesehen.50 Entsprechend dem bis 1944 gĂĽltigen SchlĂĽssel von
einem Bewacher auf zehn KZ-Häftlinge sollte das neue Konzentrationslager mit hoch-
gerechnet 6000 erheblich mehr Häftlinge als das Stammlager Mauthausen aufnehmen
können.
In seiner projektierten Dimension war das Lager Gusen – noch vor der Etablierung
des Außenlagersystems ab Juni 1941 – eher als eigenständiges Konzentrationslager
konzipiert denn als AuĂźenlager. Dennoch blieb Gusen administrativ und personell eng
an das KZ Mauthausen gebunden. Personal und auch weite Teile der Administration
blieben der Kommandantur von Mauthausen unterstellt. So war der LagerfĂĽhrer des
KZ Gusen zwar mit weitreichenden Machtbefugnissen ausgestattet – der Lagerführer
Chmielewski wurde als «ungekrönter König» von Gusen bezeichnet51 –, unterstand
aber dem Kommando von Ziereis. Auch die Häftlinge wurden dem KZ Gusen, abge-
sehen von einigen direkten Transporten in der FrĂĽhzeit des Lagers, in ĂĽberwiegender
Mehrzahl vom Stammlager Mauthausen aus zugewiesen. Dabei fĂĽhrte das Lager Gusen
bis zum 23. Jänner 1944 eine eigene Häftlingsregistratur, die den zuvor in Mauthausen
registrierten Häftlingen wiederum Nummern aus einer eigenen Nummernserie zuwies.
So erhielten beispielsweise Häftlinge, die zwischen den beiden Lagern hin und her über-
48 Bericht Otto Wahl zum Lagerbau, AMM, A/6/4, S. 17 f.; Erwin Gostner : 1000 Tage im KZ. Ein Erlebnis-
bericht aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen, Innsbruck 1945, S. 140 f.
49 Bereits einen Monat zuvor waren Häftlinge der bei Lageraufbau und Steinbrüchen eingesetzten Arbeits-
kommandos in den bereits fertiggestellten Baracken 7 und 8 untergebracht worden. Stanisław Dobosie-
wicz : Vernichtungslager Gusen, Wien 2007 (Mauthausen-Studien, 5), S. 26–28 ; Standliste der Unter-
kunft Gusen, 25. 5. 1940, AMM, B/12/9a.
50 Schreiben des Inspekteurs der KL an den Kommandanten des KLM vom 12. 2. 1940, AMM, P/6/9.
51 Karin Orth : Gab es eine Lagergesellschaft ? «Kriminelle» und politische Häftlinge im Konzentrationsla-
ger, in : Norbert Frei et al. (Hg.), Ausbeutung, Vernichtung, Öffentlichkeit. Neue Studien zur nationalso-
zialistischen Lagerpolitik, MĂĽnchen 2000 (Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, 4),
S. 109–133, hier 119.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen