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255Das
Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
Abgesehen von den in Mauthausen zur Sex-Zwangsarbeit genötigten Frauen befan-
den sich bis Jänner 1945 alle weiblichen Häftlinge in den Frauenaußenlagern. Erst mit
dem Eintreffen groĂźer Evakuierungstransporte aus dem KZ GroĂź-RosenÂ
– es handelte
sich dabei um zuvor aus Auschwitz evakuierte Häftlinge – wurde auch im Haupt lager
ein getrennter Lagerteil für weibliche Häftlinge eingerichtet. Ab diesem Zeitpunkt
wurden Frauen zunächst im ehemaligen die Baracken 16 bis 19 umfassenden Quaran-
tänehof, später auch im Areal des Steinbruchs Wiener Graben sowie in der Nähe des
Steinbruchs untergebracht. Mit dem Transport von etwa 2000 weiblichen Häftlingen
aus dem Frauenkonzentrationslager RavensbrĂĽck wurden erstmals auch Kleinkinder
und Babys nach Mauthausen deportiert und dort gemeinsam mit ihren MĂĽttern unter
einer Häftlingsnummer registriert. Mehrere Kinder wurden auf dem Transport nach
Mauthausen oder im Lager selbst geboren.189
Die Endphase : Evakuierungen, Massensterben und Befreiung
Die großen Transporte von Häftlingen aus anderen Konzentrationslagern ab Mitte
1944 standen zwar bereits im Zusammenhang mit der allmählichen Auflösung die-
ser Lager und der Evakuierung ihrer Gefangenen, doch das ökonomische Kalkül des
Transfers von Arbeitskräften spielte hierbei eine nach wie vor gewichtige Rolle. Dies
änderte sich spätestens mit Jahresbeginn 1945. Mit der endgültigen Auflösung von
Auschwitz-Birkenau und anderer Konzentrationslager im Osten ab Jänner 1945 wurde
Mauthausen zu einem der wichtigsten Zielorte für Häftlinge, die außer Reichweite der
vormarschierenden alliierten Truppen gebracht werden sollten.190 Zugleich begann
damit eine neue Phase in der Geschichte des KZ Mauthausen, die durch ĂśberfĂĽllung,
Unterversorgung, Chaos und Massensterben gekennzeichnet ist. Allein aus Auschwitz
wurden zwischen Ende Jänner und Ende Februar 1945 mehr als 9000 Häftlinge nach
Mauthausen ĂĽberstellt. Dazu kamen Transporte aus den Lagern GroĂź-Rosen, Sachsen-
hausen, Ravensbrück und Mittelbau-Dora, später auch aus den Außenlagern des KZ
FlossenbĂĽrg in Venusberg und Freiberg. Insgesamt waren in Mauthausen in der Zeit
von Jänner bis Mai mehr als 30.000 neu angekommene Häftlinge zu verzeichnen.191
Am 7. März 1945 erreichte das KZ-System Mauthausen mit insgesamt 84.472 regis-
trierten Häftlingen seinen absoluten Höchststand. Gleichzeitig stieg die Zahl der Be-
wachungsmannschaften in Haupt- und Außenlagern bis Ende März auf knapp 10.000
Mann an. Die neu ankommenden Häftlinge hatten in der Regel bereits eine mehrjährige
Verfolgungsgeschichte mit schwerer Zwangsarbeit hinter sich. Die meisten der knapp
189 Vgl. Christina Gahbauer : Kinder im Konzentrationslager Mauthausen, Diplomarb. Univ. Wien 2007,
S. 77–81.
190 Vgl. hierzu den Beitrag von Alexander Prenninger in Band 2 sowie ders.: Das letzte Lager. Evakuie-
rungstransporte in der Endphase des KZ-Komplexes Mauthausen, phil. Diss. Univ. Wien 2017.
191 Metadatenbank, AMM.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Volume 1
- Title
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Volume
- 1
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Heinrich Berger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 426
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen