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Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938â1945 |
Abgesehen von den in Mauthausen zur Sex-Zwangsarbeit genötigten Frauen befan-
den sich bis JĂ€nner 1945 alle weiblichen HĂ€ftlinge in den FrauenauĂenlagern. Erst mit
dem Eintreffen groĂer Evakuierungstransporte aus dem KZ GroĂ-RosenÂ
â es handelte
sich dabei um zuvor aus Auschwitz evakuierte HĂ€ftlinge â wurde auch im Haupt lager
ein getrennter Lagerteil fĂŒr weibliche HĂ€ftlinge eingerichtet. Ab diesem Zeitpunkt
wurden Frauen zunÀchst im ehemaligen die Baracken 16 bis 19 umfassenden Quaran-
tÀnehof, spÀter auch im Areal des Steinbruchs Wiener Graben sowie in der NÀhe des
Steinbruchs untergebracht. Mit dem Transport von etwa 2000 weiblichen HĂ€ftlingen
aus dem Frauenkonzentrationslager RavensbrĂŒck wurden erstmals auch Kleinkinder
und Babys nach Mauthausen deportiert und dort gemeinsam mit ihren MĂŒttern unter
einer HĂ€ftlingsnummer registriert. Mehrere Kinder wurden auf dem Transport nach
Mauthausen oder im Lager selbst geboren.189
Die Endphase : Evakuierungen, Massensterben und Befreiung
Die groĂen Transporte von HĂ€ftlingen aus anderen Konzentrationslagern ab Mitte
1944 standen zwar bereits im Zusammenhang mit der allmÀhlichen Auflösung die-
ser Lager und der Evakuierung ihrer Gefangenen, doch das ökonomische KalkĂŒl des
Transfers von ArbeitskrÀften spielte hierbei eine nach wie vor gewichtige Rolle. Dies
Ă€nderte sich spĂ€testens mit Jahresbeginn 1945. Mit der endgĂŒltigen Auflösung von
Auschwitz-Birkenau und anderer Konzentrationslager im Osten ab JĂ€nner 1945 wurde
Mauthausen zu einem der wichtigsten Zielorte fĂŒr HĂ€ftlinge, die auĂer Reichweite der
vormarschierenden alliierten Truppen gebracht werden sollten.190 Zugleich begann
damit eine neue Phase in der Geschichte des KZ Mauthausen, die durch ĂberfĂŒllung,
Unterversorgung, Chaos und Massensterben gekennzeichnet ist. Allein aus Auschwitz
wurden zwischen Ende JĂ€nner und Ende Februar 1945 mehr als 9000 HĂ€ftlinge nach
Mauthausen ĂŒberstellt. Dazu kamen Transporte aus den Lagern GroĂ-Rosen, Sachsen-
hausen, RavensbrĂŒck und Mittelbau-Dora, spĂ€ter auch aus den AuĂenlagern des KZ
FlossenbĂŒrg in Venusberg und Freiberg. Insgesamt waren in Mauthausen in der Zeit
von JĂ€nner bis Mai mehr als 30.000 neu angekommene HĂ€ftlinge zu verzeichnen.191
Am 7. MÀrz 1945 erreichte das KZ-System Mauthausen mit insgesamt 84.472 regis-
trierten HÀftlingen seinen absoluten Höchststand. Gleichzeitig stieg die Zahl der Be-
wachungsmannschaften in Haupt- und AuĂenlagern bis Ende MĂ€rz auf knapp 10.000
Mann an. Die neu ankommenden HÀftlinge hatten in der Regel bereits eine mehrjÀhrige
Verfolgungsgeschichte mit schwerer Zwangsarbeit hinter sich. Die meisten der knapp
189 Vgl. Christina Gahbauer : Kinder im Konzentrationslager Mauthausen, Diplomarb. Univ. Wien 2007,
S. 77â81.
190 Vgl. hierzu den Beitrag von Alexander Prenninger in Band 2 sowie ders.: Das letzte Lager. Evakuie-
rungstransporte in der Endphase des KZ-Komplexes Mauthausen, phil. Diss. Univ. Wien 2017.
191 Metadatenbank, AMM.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen