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71Von
Weggabelungen und EinbahnstraĂźen |
Perspektive spricht, aber schließlich – nachdem er vom Interviewer auf die Illegalität
dieser Aktivitäten hingewiesen wird – in das unpersönliche «man» als Erzählperson
wechselt. Der Soziologe Michael Pollak fand bei der Analyse und Interpretation von
Augenzeugenberichten heraus, dass die Verwendung eines solchen «man» als Erzähl-
person oft im Zusammenhang mit einem nicht beständigen Zugehörigkeitsgefühl des
Erzählenden gegenüber einer Gruppe steht.37 Wendet man dieses Interpretationsan-
gebot auf die Erzählung Hechenblaikners an, so bedeutet dies, dass der Zeitzeuge zu-
nächst im «wir» von seiner Tätigkeit bei den Illegalen erzählt und damit eine Situation
des Zusammengehörigkeitsgefühls und der selbst empfundenen Handlungsfähigkeit
zum Ausdruck bringt. Als er auf den Hinweis des Interviewers, dass diese Tätigkei-
ten ja illegal gewesen seien, reagiert und auch von der Abwendung erzählt, legt die
Verwendung des «man» in der Erzählung allerdings den Schluss nahe, dass die Ab-
wendung von den Nationalsozialisten und die Verweigerung der Wehrpflicht nicht
als Eigeninitiative zu verstehen sind, sondern eine verordnete Haltung zum Ausdruck
bringen. Diese Interpretation wird allerdings nur durch die Analyse der verwendeten
Personalpronomina nahegelegt, denn ansonsten schildert Josef Hechenblaikner seine
Entscheidung zur Verweigerung der Wehrpflicht durchgängig als eigen(ständig)e, wo-
mit er in der Erzählung handlungsfähig bleibt und die anschließende Verfolgung posi-
tiv in seine Lebensgeschichte integrieren kann.
Verhaftung, Deportation und Inhaftierung auf dem Weg nach Mauthausen
In der narrativen Struktur der lebensgeschichtlichen Interviews bilden die Erzählungen
ĂĽber Verhaftung, Deportation und Inhaftierung einen Kulminationspunkt autobiogra-
fischer Sinnkonstruktion. Dabei sind bei den aus rassistischen GrĂĽnden Verfolgten
vor allem ihre eingeschränkte Handlungsfähigkeit bzw. ihre Handlungsunfähigkeit ein
zentrales Motiv in den Erzählungen über ihre Wege nach Mauthausen, während bei
den aus politischen oder religiösen Gründen Verfolgten Bewusstheit und Unbewusst-
heit gegenüber den Konsequenzen des (widerständigen) Handelns in den Mittelpunkt
der Erzählungen rücken.
Stellen bei vier von fĂĽnf Interviewpartnern die Verhaftung und Einweisung in ein
KZ einen Bruch im Handlungsverlauf der Lebensgeschichte dar, ist dies in der Erzäh-
lung Leopold Redlingers nicht der Fall. Sein Weg in die politische Verfolgung nahm
bereits Jahre vor dem «Anschluss» seinen Anfang, als er das erste Mal 1934 in Wien
in dreiwöchige Haft genommen und 1937 als tschechoslowakischer Staatsangehöriger
aus Ă–sterreich ausgewiesen wurde. Redlinger schildert die Haftzeiten vor der Auswei-
sung, die Zeit im slowakischen Gefängnis Leopoldov sowie die im Februar 1945 in der
Slowakei erfolgte Auslieferung an die SS, die ihn schlieĂźlich nach Mauthausen ĂĽber-
37 Michael Pollak : Die Grenzen des Sagbaren. Lebensgeschichten von KZ-Ăśberlebenden als Augenzeugen-
berichte und als Identitätsarbeit, Wien 22016 [1988] (Wiener Studien zur Zeitgeschichte, 1), S. 158–160.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen