Page - 400 - in Deportiert nach Mauthausen, Volume 2
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400 | Doris Felsen und Viviana Frenkel
und auch jenes von Raimondo Ricci bestimmen. Alberto wird nie bereuen, sich spon-
tan gestellt zu haben, weil ihm bewusst war, durch seine Anwesenheit zum Überleben
von Carlo und Raimondo beigetragen zu haben.64 Von Imperia kamen die beiden nach
Savona, in das Marassi-Gefängnis von Genua – wo es den Brüdern gelang, ihre jüdi-
sche Herkunft zu verschleiern – und schließlich nach Fossoli, wo die Lebensbedingun-
gen weniger hart schienen als im Gefängnis von Marassi.
Durch die Anwesenheit von Ricci, Maris, Belgiojoso und vieler anderer Intellektuel-
ler wurde das Lager zu einer Ideenschmiede und einem Hort politischer Diskussionen.
Gemeinsam mit Todros bildeten sie eine neue italienische Intellektuellenschicht, die
im Italien der Nachkriegszeit politische Schlüsselpositionen innehatte.
«Die Haft war für mich, neben all den anderen traurigen Dingen, die ich erlebt habe, eine
politische Schule. Denn im Gefängnis von Imperia hatte ich die ersten Kontakte mit all den
Kommunisten geknüpft, die in Menton verhaftet wurden […]. Später in Fossoli, in Fossoli
war die Situation so/ es war wichtig, denn dort waren Sozialisten und Kommunisten, die die
Parteischule machten, das heißt, in den Freizeitstunden versammelten sie die Jungen und
brachten ihnen all das bei, was sie noch nicht gelesen hatten, denn die politischen Bücher
waren damals verboten. […] Später in Mauthausen, in Mauthausen wurde mir von Giuliano
Pajetta65 nahegebracht/ […] und er hat begonnen, mich und Ricci für den Eintritt in die
Kommunistische Partei vorzubereiten.»66
Albertos Persönlichkeit manifestierte sich auf kühne und dezidierte Weise in vielen
Geschehnissen im Lager Mauthausen. Er bekleidete die höchste Funktion, die einem
Italiener zuteilwurde, und war Sekretär des Baukommandos.67 Die daraus resultieren-
den Privilegien konnte er dazu einsetzen, seinen Gefährten im Rahmen des Möglichen
zu helfen :
«Wenn ich nicht gewesen wäre, wären beide, mein Bruder und Raimondo Ricci, gestorben.
Ich hatte sehr großes Glück […]. Mein Schicksal, es hat mich gerettet und auch sie gerettet
64 Auch Raimondo Ricci nennt als einen der Hauptgründe für sein Überleben die Hilfe, die er von seinem
Freund Alberto erhielt.
65 Giuliano Pajetta (Turin 1915
– Livorno 1988) war ein antifaschistischer Politiker, der sich am Spanischen
Bürgerkrieg beteiligte. Als Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) war er im Partisanen-
widerstand aktiv und wurde nach Mauthausen deportiert. Er war ein wichtiges Führungsmitglied der
PCI in der Nachkriegszeit, nahm an der Verfassungsvollversammlung teil und war von 1946 bis 1972
Abgeordneter einer der beiden Parlamentskammern.
66 AMM, MSDP, OH/ZP1/016, Interview Todros, Z. 1632–1653.
67 Nach der Befreiung brachte Alberto das Verzeichnis des Baukommandos mit sich nach Italien und stellte
es durch die ANED-Sektion von Turin der italienischen Öffentlichkeit zur Verfügung. Nach seinem In-
terview überreichte er dem MSDP das Verzeichnis, das sich nun im Museum von Mauthausen befindet.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Volume 2
- Title
- Deportiert nach Mauthausen
- Volume
- 2
- Authors
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Editor
- Melanie Dejnega
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Size
- 16.8 x 23.7 cm
- Pages
- 716
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen