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%0 i. Einführung
Heutzutage entsteht die Musik oft schon parallel zum Film, wobei durch den Einsatz
von Computern der Produktionsprozess der Filmmusik stark beschleunigt wird. Wenn
der Regisseur oder Produzent Hörproben der Musik will, werden mit Samplern schnelle
und kostengünstige orchestrale Skizzen erstellt, die, mit den Filmbildern synchronisiert,
bereits vor der endgültigen Abnahme gehört werden können. Es kann aber auch schon
fertige Musik sein, die man als sogenannte temporary music tracks den Bildern unterlegt.
Diese temp tracks haben mehrere Funktionen.
Zum einen unterlegen Komponisten bestimmte Szenen oder auch einen ganzen Film
mit stilistisch ähnlichem Material (das kann eigene Musik sein, aber auch die von einem
anderen Komponisten), um so dem Regisseur oder Produzenten zu zeigen, wie er die
Musik für diesen Film konzipiert hat. Dies kann auch z. B. dem Cutter helfen, etwaige
Schnitte dem Timing der zu erwartenden Musik anzupassen.
Es gibt diese temp tracks aber auch für den umgekehrten Fall, dass nämlich Regisseur
und/oder Produzent dem Komponisten eine klare Vorstellung von dem geben möchten,
was sie von der Musik für diesen Film erwarten. Diese temp tracks können eben einer-
seits frühere Arbeiten des betreffenden Komponisten sein („mach es genau so wie im
Film ..."), es können erwähnte Midi-Skizzen sein, die bereits für diesen Film angefer-
tigt wurden. Es kann aber auch Musik von anderen Komponisten sein, auch von Kom-
ponisten aus ganz anderen Genres. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich der
Regisseur am Ende für den temp track entscheidet. So hat Stanley Kubrick für seinen
Film 2001: A Space Odyssey (1968) Ausschnitte von Also sprach Zarathustra von Richard
Strauss und An der blauen Donau von Johann Strauss als temp tracks verwendet, welche
dann im fertigen Film verblieben sind. Zusätzlich kamen dann noch Atmospheres und
Requiem von György Ligeti und die Gayane Ballett Suite von Aram Khatchaturian dazu.
Es blieben überhaupt keine Originalkompositionen übrig. Der Komponist Alex North,
der für den Film die Musik schon fertig hatte, hat sich in diesem Fall die Arbeit umsonst
gemacht.10
Es kann aber auch passieren, dass es eine komplett ausgearbeitete und aufgenommene
Musik nicht auf den Film schafft, obwohl sie vom Regisseur abgenommen wurde. So
erging es Gabriel Yared. Yared (*I949)> der für die Musik zu The English Patient 1996
20 Alex North (1910-1991) studierte unter anderem bei Aaron Copland (1900-1990). Er war bekannt
für die Integration von Jazz in die orchestrale Filmmusik, wie bei einem seiner bekanntesten Filme
— A Streetcar namedDesire (1951; Regie: Elia Kazan). Gleichzeitig schrieb er sein Leben lang auch für
das Theater — so ebnete ihm seine Musik für Theaterstücke wie Death ofa Salesman den Weg nach
Hollywood — und in den Konzertsaal. Seine Revue jor Clarinet and Orchestra beispielsweise wurde
1946 von Leonard Bernstein und Benny Goodman in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführt.
Er wurde 15-mal für den Oscar nominiert und erhielt 1986 den Oscar für Lifetir.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Subtitle
- 1888 - 1971
- Author
- Peter Wegele
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 302
- Keywords
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Category
- Biographien