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1.2. Filmmusiktechnik 37
schlieĂźlich zur Trompete. Das berĂĽhmteste Beispiel fĂĽr diese Art der Orchestrierung ist
sicherlich Ravels Bolero.
Kurt Weill schrieb in seinem Aufsatz ĂĽber die Filmmusik, dass der vorherrschende
Orchesterklang in Hollywood dem der zeitgenössischen europäischen Musik entsprach.
Komponisten wie Strawinsky oder Schostakowitsch dienen insofern als Modell fĂĽr die
symphonische Filmmusik, weil einerseits ihr Klangapparat nicht mehr die Größe der
spätromantischen Orchester hat, andererseits ihre Vielseitigkeit und Innovationen in der
Orchesterbehandlung enorme klangliche und agogische Möglichkeiten anbieten. Die
Instrumentierung kann linear, flächig oder punktuell sein. Die melodisch-rhythmische
Konzeption steht in direktem Zusammenhang mit der gewählten Instrumentierung. Ins-
besondere zwei gestalterische Merkmale Strawinskys finden sich in den Filmpartituren
Steiners wieder. Zum einen sind dies die sogenannten Akzent-Instrumentierungseffekte.
Durch subito eingesetzte Akzente einiger Instrumentengruppen und das gleichzeitige
Wegnehmen anderer entstehen schlagartige und überraschende Umfärbungen. Vor allem
in den Spätwerken sind diese Effekte typisch für Strawinskys Satzbehandlung. So in der
Symphony in three movements, III, in der er geradezu exemplarischen Gebrauch von die-
ser Technik macht. In demselben Werk setzt Strawinsky das Klavier als reines Orchester-
instrument ein, das einerseits Streicher, Posaunen, Fagotte oder tiefe Hörner doppelt,
gleichzeitig durch seinen perkussiven Anschlag schlagzeugähnliche Wirkung entfaltet.
Wurde das Klavier in der Zeit der Klassik und Romantik im Zusammenhang mit dem
Orchester lediglich als Soloinstrument verwendet, findet sich in der Orchestermusik des
20. Jahrhunderts das Klavier als Orchesterinstrument wieder, oft auch paarweise einge-
setzt, wie z. B. bei Orffs Carmina Burana. Filmkomponisten von Steiner bis John Wil-
liams haben die Tasteninstrumente diesbezĂĽglich vielseitig und reichhaltig eingesetzt
(vgl. Steiner: Casablanca oder The Adventures of Don Juan; bzw. Williams: Catch Me If
You Can).
Bei jeder orchestralen Musik ist die klangliche Vision und Gestaltung von zentraler
Bedeutung. Beethoven zählt man zu den ersten Komponisten, für die Klangfarbe es-
senzieller Bauteil der Komposition war. Der Begriff Klangfarbe, d. h. die Verbindung
von Klang und Farbe, ist eine typische Geistesgeburt der Romantik. E.TA. Hoffmann
(1776—1822) ging dieser Idee in seinen musikalischen Novellen ebenso nach wie auch bei-
spielsweise der Maler Philipp Otto Runge (1777—1810) in seiner Schrift „die Farbenku-
gel". Der Komponist Skrjabin (1872—1915) ging den umgekehrten Weg und verlangte in
seiner Prometheus-Sinfonie (Le Poeme du Feu) ein „Farbenklavier", das während der Auf-
fĂĽhrung der Musik zugeordnete Farben auf eine Leinwand projizierte.
Filmmusik ist darauf ausgelegt, sekundengenaue Wirkungen zu evozieren. Daher ist
es wichtig, dass der Komponist und sein Orchestrierer genaueste Kenntnis ĂĽber Farben
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Subtitle
- 1888 - 1971
- Author
- Peter Wegele
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 302
- Keywords
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Category
- Biographien