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>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Volume 2/2020
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64 Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel) de Almeida, Müller, Wimplinger | Die Linke schaut nach Portugal Solidaritätspraktiken und das neue Reiseparadigma Eine Reise in die portugiesische Revolution ist eine Variante einer im Kontext der 1970er gängi- gen, obwohl vielfältigen Praxis der internationalen Solidarisierung. Verschiedene Akteur*innen sowohl aus der BRD als auch aus der DDR, beide aber „unter spezifischen politischen Vorzei- chen“ (Bösch 2018: 7), engagierten sich für sozialistische Reformprojekte und Freiheitsbewegun- gen sowie gegen autoritäre Regime und Menschenrechtsverletzungen z.B. in Chile, Argentinien oder Nicaragua. Sogenannte Solidaritätsbrigaden operierten im Fall von Nicaragua vor Ort und begaben sich teils in erhebliche Gefahren.2 Viele deutsche Brigadist*innen betätigten sich vor dem Hintergrund der faschistischen Täterschaft ihrer Elterngeneration. Außerdem unter- stützte, was die BRD betrifft, die Regierung in Form von Wirtschaftsbeziehungen den faschi- stischen Machterhalt in manchen Ländern (vgl. Deutsches Komitee für Angola, Guinea-Bissau und Moçambique, Bonn-Beuel 1974: 23), wodurch den politisch Reisenden über Umwege und gewissermaßen im Nachhinein die Möglichkeit geboten wurde, selbst in eine Art von antifa- schistischem Widerstand zu treten. Attraktiv wirkte zudem, dass die gesellschaftlichen Umbrü- che von Systemkonflikten zwischen kapitalistischen und sozialistischen Gesellschaftsmodellen begleitet waren und daher die Solidaritätsaktiven, anders als 1968, gesellschaftlichen Aufbruch in einer Breitenbasis erleben konnten. Diese Konflikte, der ungewisse politische Ausgang der sozialen Proteste und die Plura- lität der nach Einfluss ringenden Parteien und Bewegungen nach dem Sturz der Diktatur in Portugal ermöglichten verschiedensten politischen Gruppierungen der BRD sich soli- darisch zu zeigen — im Gegensatz zur DDR, wo sich das offizielle staatliche Engagement unter sehr genau definierten Richtlinien einer proletarischen internationalen Solidarität voll- zog (vgl. Bösch 2018: 7). Der Reiseansturm auf Portugal war auch durch niederschwellige Ein- reisebestimmungen begünstigt, wie sie während des revolutionären Prozesses — anders als im strengen Grenz- und Meinungsregime während der autoritären Diktatur — galten.3 Selbst poli- tische Akteur*innen, die im eigenen Land verfolgt wurden, konnten problemlos auf Einladung von Parteien oder politischen Gruppen nach Portugal einreisen.4 Das politische Spektrum der Verbündeten, welche materielle Unterstützung und Legitimierung der lokalpolitischen Agenda lieferten, spiegelte die Pluralität der revolutionären Kräfte Portugals wider. Diese wiederum gewannen für sich internationale Aufmerksamkeit und Eingliederung in die transnationalen politischen Familien (vgl. Pereira 2010: 93). Die Solidaritätsbewegungen begannen nicht erst in den 1970ern aktiv zu werden, sondern griffen auf frühere Bewegungen zurück, die bereits in den 1960ern entstanden waren und sich für die Befreiung der sogenannten Dritten Welt eingesetzt hatten (vgl. Slobodian 2012: 13f.). 2 Christian Helm spricht im Kontext von Nicaragua von einer „Schutzschildfunktion“ der Brigadist*innen (vgl. Helm 2018: 39). 3 Peter Weiss reiste 1975 nach Portugal, wo ihn der Premierminister und portugiesische Intellektuelle in Empfang nahmen (vgl. Meyer-Clason 1997: 301–303). Nur drei Jahre zuvor galt er als Autor des Gesang[s] des lusitani- schen Popanz für das portugiesische Regime als Persona non grata. Das szenische Pamphlet kritisiert vehement das portugiesische Kolonialreich und dessen Unterstützung durch die BRD gegen die afrikanischen Befreiungs- kämpfe. Der „Zyklus des deutschen Dokumentartheaters“, organisiert von Curt Meyer-Clason und dem Regis- seur Artur Ramos im Deutschen Institut in Lissabon, hatte aufgrund des Vorhabens, Peter Weiss’ Ermittlungen zu zeigen, mit der Zensur zu kämpfen (vgl. Meyer-Clason 1997: 157–161). 4 Siehe Günther Wallraff, der 1976 trotz gerichtlicher Verfolgung in der BRD nach Portugal reiste (vgl. Meyer- Clason 1997: 316).
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Volume 2/2020
The Journal
Title
>mcs_lab>
Subtitle
Mobile Culture Studies
Volume
2/2020
Editor
Karl Franzens University Graz
Location
Graz
Date
2020
Language
German, English
License
CC BY 4.0
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
270
Categories
Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal
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