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de Almeida, Müller, Wimplinger | Die Linke schaut nach Portugal
Es bleibt dabei, dass, wenn Fremde an irgendeinen Ort gehen, der nicht der ihre ist, und dessen
Grundlagen sie eigentlich nicht kennen, und sich dort einmischen, verwenden, statt sich sieben
Jahre zurückzuhalten, bevor Sie über etwas sprechen, das dann, wenn sie solche Mittel haben wie
eine Kamera, ihre Macht so groß ist wie das Fernsehen heute eine größere Macht hat als eine
Armee. (Hübner 2006: 00:36:09)
Filmen ist für Harlan eine Methode zur direkten Teilhabe am politischen Ereignis bei seiner
gleichzeitigen Dokumentation. Die Idee des militanten Films, mittels dokumentarischer Bilder
zu agitieren, wird hier noch weitergetrieben. Der Film mobilisiert weniger das Publikum, das
auch gar nicht im Interesse der Manipulation steht, sondern agiert in der zu betrachtenden
Gegenwart des Films selbst. Der Film dient der registrierten Situation, nicht dem Kino oder der
Repräsentation von Tatsachen. Anstelle einer Reflexion über die Nelkenrevolution sieht man,
wie eine politische Situation entsteht. Ohne eine reflexive Distanzierung zu den Ereignissen
öffnen sich neue Möglichkeiten dokumentarischer Wirklichkeitsrepräsentation. Diese Produk-
tion von Wirklichkeit unterscheidet Torre Bela maßgeblich von anderen Filmen über Portugal
nach 1974 und ist somit ein Gegenmodell zu dem anderen hier zu besprechenden westdeutschen
Kollektivfilm Viva Portugal!
Viva Portugal! Eine Chronik der Nelkenrevolution
Das deutsch-französische Journalist*innenteam bestehend aus Christiane Gerhards, Malte
Rauch, Samuel Schirmbeck, Serge July (für die französische Zeitung Libération schreibend)
und Peer Oliphant reiste wenige Tage nach der Nelkenrevolution nach Portugal und begann
Filmmaterial zu sammeln. Der daraus entstandene Film Viva Portugal! von 1975 ist eine Mon-
tage aus TV-Berichten, Archivmaterialien, Interviews und selbst gefilmten Szenen. Der Film
bietet einen Überblick zur jüngsten portugiesischen Geschichte und gibt erklärende Hinter-
grundinformationen über die Geschehnisse in Portugal seit 1974.
Im Klappentext des von Christiane Gerhards, Malte Rauch und Samuel Schirmbeck ver-
fassten Buches Volkserziehung in Portugal — Berichte, Analysen, Dokumente heißt es:
Dieser Band läßt — wie auch der Film VIVA PORTUGAL — die Betroffenen selbst sprechen.
Ihre Erfahrungen im Bereich politische Selbstbestimmung, Erziehung, Verteidigung erkämpfter
Positionen können für uns eine Aufforderung sein, unsere politische Demokratie mit Inhalt zu
füllen (Gerhards/Rauch/Schirmbeck 1976).
Das Buch wurde kurz nach Erscheinen des Films veröffentlicht und stellt so etwas wie das im
Nachhinein entstandene und um Kommentare sowie eine historische Einbettung erweiterte
Drehbuch zum Film dar. Im Projekt äußert sich das Interesse, eine Debatte in Deutschland
anzustoßen, inwiefern politische „Volkserziehung“ als Selbsterziehung zur Demokratie funktio-
nieren kann. Rowohlts Covergestaltung verdeutlicht mit dem werbenden Untertitel „ein buch
zum film VIVA PORTUGAL“ die Beziehung des Buchs als Materialsammlung zum Film.
Darüber hinaus wird die schon beschriebene Karikatur von João Abel Manta Um problema
difícil mit einer weiteren Zeichnung desselben Künstlers montiert. Die zuvor aufgezählten
Theoretiker*innen schauen neben den auf der Tafel abgebildeten Umrissen Portugals nun auch
auf die Zeichnung MFA, Povo — Povo, MFA, in der ein Bauer und ein Soldat ihre Attribute
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Mobile Culture Studies, Volume 2/2020
The Journal
- Title
- >mcs_lab>
- Subtitle
- Mobile Culture Studies
- Volume
- 2/2020
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal