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82 Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel)
de Almeida, MĂŒller, Wimplinger | Die Linke schaut nach Portugal
Die vorangegangenen Analysen zeigen, vor allem in Bezug auf die Bildproduktion und -ver-
wendung, dass Bilder in erster Linie von jenen Situationen gemacht werden, die den eigenen poli-
tischen Vorstellungen entsprechen. Das Filmteam von Viva Portugal! sowie jenes von Torre Bela
suchten die von der Gruppe LUAR unterstĂŒtzte Kooperative auf, und nicht die Landbesetzungen
der Portugiesischen Kommunistischen Partei, die sie als dogmatisch verstanden. In vergleichba-
rer Weise hÀufte sich der Bildeinsatz in der Zeitschrift links, sobald klar wurde, dass der revolu-
tionĂ€re Prozess nicht nur zentralistisch, sondern auch in autonomen Initiativen operieren wĂŒrde.
Haben die Medien Film und Schrift, mit denen die Theoretiker*innen auf den Spu-
ren der Nelkenrevolution arbeiteten, diese Spiegelung der politischen Vorstellungen ihrer
Produzent*innen gemeinsam, so entfalten sie doch unterschiedliche Bild-Text-VerhÀltnisse. In
der Portugal-Kampagne des Sozialistischen BĂŒros, das auch fĂŒr die Texte in der Zeitschrift links
verantwortlich zeichnete, wurden Bild und Text zusammengefĂŒhrt, indem Diskussion, Erfah-
rungsbericht und die Projektion des Films Viva Portugal! gemeinsam stattfanden. WĂ€hrend
im geschriebenen Text der links das Bild keine argumentative Funktion erkennen lÀsst, fehlt in
Thomas Harlans Bildern aus Torre Bela eine diskursive, argumentative Ordnung und jeder erklÀ-
rende, interpretierende Kommentar. Geht man gemeinhin davon aus, dass ein beigefĂŒgtes Bild
die AuthentizitÀt einer Reiseerfahrung beglaubigt, so zeigen unsere Analysen hingegen, dass es
die OrtsverĂ€nderung selbst ist, die einem Text â oder auch einem Bild â AuthentizitĂ€t verleiht.
Die eigene politische Praxis erfordert, vor Ort zu sein, um sich ĂŒberhaupt ein Bild zu
machen. WĂ€hrend das militante Kino in Portugal erst mit der Nelkenrevolution geboren
wurde, nahmen sich die Filmmacher*innen aus anderen LĂ€ndern wie Deutschland, Frank-
reich oder den USA den gesellschaftlichen UmbrĂŒchen Portugals an. Sie suchten weltweit die
Orte der Revolte, stellten sich auf die Seite des revolutionÀren Subjektes und wandten in den
SolidaritĂ€tsbewegungen der 1970er Jahre das an, was 1968 in Westeuropa nur fĂŒr eine kurze
Zeit erprobt worden war. Hierin besteht eine ganz bestimmte linke mobile Praxis, die Sehen,
ErzĂ€hlen und Mitmachen ineinander ĂŒbergehen lĂ€sst.
Literaturverzeichnis
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Globales Engagement in der Bundesrepublik und der DDR (Göttingen: Wallstein), 7â34
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Volume 2/2020
The Journal
- Title
- >mcs_lab>
- Subtitle
- Mobile Culture Studies
- Volume
- 2/2020
- Editor
- Karl Franzens University Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2020
- Language
- German, English
- License
- CC BY 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 270
- Categories
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal