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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
Augenblicksempfindung, sondern seine zärtlicheZuneigung undAnhänglich-
keit. Diese emotionelle und tatkräftige Liebe galt nach 7,7–8 auch seinem er-
wähltenVolk:„Nichtweil ihrzahlreicheralsdieanderenVölkerwäret,hateuch
JHWH insHerz geschlossen (h
˙ a¯sˇaq) und ausgewählt; […].Weil JHWHeuch
liebtundweil eraufdenEidachtet,denereurenVätergeschworenhat,deshalb
hateuchJHWHmitstarkerHandherausgeführtunddichausdemSklavenhaus
freigekauft,ausderHanddesPharao,desKönigsvonÄgypten.“WennGottdann
denFremdenliebt,drückt sichdaswiebei seinerLiebezuIsrael inpraktischen
Handlungenaus:ergibtihmNahrungundKleidung(10,18).Einesolchaffektive
wie effektiveLiebealso ist gemeint,wennMose imAnschlussandasVerhalten
Gottes verlangt, den Fremden zu lieben (10,19). Das heißt zusammenfassend:
Trotz der Herkunft der deuteronomischen Liebesprache aus der juristischen
Rhetorik altorientalischer Vasallenverträge und ihres rechtlich verbindlichen
CharaktersistbeiderErfüllungdesGebotsEmotionalitätgewünschtundethisch
relevant.ZugleichlässtdasvorbildlicheHandelnGotteserkennen,wieIsraelden
besonders hilfsbedürftigen Fremden praktisch lieben soll: durch Versorgung
mitallem,waszumLebengehört.
Auch die anschließende Begründung von Israels „Bringschuld der Liebe“42
wendet sich an seineEmpathie. Sie ist einAppell andaskollektiveGedächtnis
Israels.43DieFormel „denn ihr (selbst) seid Fremde (ge¯r%m) imLandÄgypten
gewesen“ findet sich inderHebräischenBibel5-mal:Ex22,20;23,9;Lev19,34;
25,23 und Dtn 10,19. Sie ist auf den Pentateuch – genauer: auf seine drei
RechtssammlungenBundesbuch,HeiligkeitsgesetzunddeuteronomischeTora–
beschränkt. Das Deuteronomium enthält neben 10,19 noch eine Ägyp-
ten-Fremde-Motivation in 23,8: „EinenÄgypter sollst du nicht verabscheuen,
denndubistFremder(ge¯r) inseinemLandgewesen.“Dennochdominiertbeim
BlickaufÄgypten imDeuteronomiumnichtdieErinnerungandieFremdling-
schaft, sondern an die Sklavenexistenz Israels.44 Fünfmal findet sich nämlich
auchderHinweis„dassduinÄgyptenSklave( æbæd)warst“(5,15;15,15;16,12;
24,18.22).DieseFormel ist fürdas„Erinnerungsschema“desDeuteronomiums
charakteristisch.45Eswirddurch „Denkdaran“ eingeleitet. In drei Fällen folgt
gleichbleibend Jahwe […]. ,Gottsein für…‘ und ,Lieben‘ ist für Jahwe dasselbe.“ (Ebd.,
S. 91).
42 Vgl.HermannSpieckermann,Mit der Liebe imWort. EinBeitrag zurTheologie desDeu-
teronomiums, in:GottesLiebe zu Israel. StudienzurTheologiedesAltenTestaments, For-
schungenzumAltenTestament33,Tübingen2001,S. 157–172,hier: S. 165.
43 Ramir8zKidd,Alterity, S. 83.
44 Zum Folgenden vgl. Norbert Lohfink, Gibt es eine deuteronomistische Bearbeitung im
Bundesbuch, in: Studien zumDeuteronomiumundzurdeuteronomistischenLiteratur III,
StuttgarterBiblischeAufsatzbände20,Stuttgart1995,S. 39–64,hier: S. 50–55.
45 ZudiesemSchema s.GeorgBraulik,GeschichtserinnerungundGotteserkenntnis. Zu zwei
Kleinformen im BuchDeuteronomium, in: Studien zu denMethoden der Deuteronomi-
GeorgBraulik50
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Title
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Subtitle
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Authors
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Editor
- Peter G. Kirchschläger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 722
- Category
- Recht und Politik