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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
3. Die IdeederuniversalenFreundschaftunddasHeiligeals
nichtrepräsentierbarerZusatz
Die Idee universal zugänglicher öffentlicher Räume ist nicht zuletzt mit der
biblischenTraditionund ihren säkularenTransformationenverknüpft. Indie-
semZusammenhangkönntemandarauf hinweisen, dassbereits dasEthosdes
Evangeliumsder frĂĽhenChristennicht zuletzt darinbestand,dass jedePerson
(unter TranszendierungderGrenzenvonKlasse,NationundGeschlecht) zum
Freundberufenwerdenkonnte8. DerHintergrunddieses Ethos liegt imLeben
Jesu, der zudenverlorenen„Schafen“ Israels gesandtwarunddessenvon ihm
verkündete Basileia (Königsherrschaft Gottes) Krüppel, Sünder, Eunuchen
(damalseineArtthirdgenderjenseitsderDichotomieMann/Frauundalssolche
vonallenverachtet), d.h. sozialeAuĂźenseiter allerArt einschloss.
Neben dieser durch das Freundschaftsethos bewirkten Neukonfigurierung
derGrenzezwischenEinschlussundAusschlussgilt eseinweiteresMomentzu
beachten, welchem große Bedeutung für das Verständnis von Grenzen und
Grenzüberschreitungen in der Bibel zukommt. Man könnte dieses Moment,
jenseits derDichotomieEinschluss-Ausschluss, als theozentrischen (weil nicht
vomMenschenbeherrschbaren)Zusatz(biblischauch„Rest“9)bezeichnen,der
dasbiblischeGrenzverständnisentscheidendprägt.DiesesMotivspieltbereitsin
den Schöpfungsberichten der Bibel eine große Rolle10: Der siebente Tag be-
zeichnet dort gegenüber dem Sechs-Tage-Werk einen der göttlichen Sphäre
zugehörigenZusatz,derderWeltkeinengenuinenInhalthinzufügt,sonderndie
chronologische Zeit bzw. die Schöpfung (ausgedrückt durch die ersten sechs
Tage) radikal aufdieZu-KunftGottesöffnet.AufdieseWeisewirdder siebente
Tag–weder innerhalbnoch jenseitsdersechsTage11–zummessianischenTag,
8 Vgl.IvanIllich,TheRiversNorthoftheFuture.TheTestamentofIvanIllichasToldtoDavid
Cayley,Toronto2005.
9 Bahnbrechend fürdas sichausdembiblischenVerständnisvonEinschlussundAusschluss
ergebendeVerständnis vonGrenze sinddieArbeitenvonGiorgioAgambenund Jean-Luc
Nancy.Vgl.besonders:GiorgioAgamben, Il tempocheresta.Uncommentoalla„Letteraai
Romani“,Torino2000; Jean-LucNancy,Lad8closion,Paris2005.WiedieseGrenzen inder
MystikderNeuzeitverhandeltwerdenundsymbolischeRäumeschaffen,zeichnetaufgeniale
WeiseMicheldeCerteaunach.Vgl.dazuMicheldeCerteau,Lefablemystique,1:XVIe–XVIIe
siHcle,Paris1982.
10 Vgl.KurtAppel,Gott–Mensch–Zeit.Geschichtsphilosophisch-TheologischeErwägungen
zuNeuemHumanismusimAusgangvonBibel,HegelundMusil, in:KurtAppel(Hg.),Preis
derSterblichkeit.ChristentumundNeuerHumanismus,QD271,Freiburg-Basel-Wien2015,
S. 19–60.
11 InderchristlichenLiturgiekommtdiesdurchdieFigurdesSonntagszumAusdruck,derals
der „achteTag“ sowohlden festlichen,heiligen siebentenals auchdenprofanenerstenTag
bezeichnet,d.h.mitdemerstenTagzusammenfallenddessenĂ–ffnungundTranszendierung
bedeutet.
KurtAppel110
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Title
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Subtitle
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Authors
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Editor
- Peter G. Kirchschläger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 722
- Category
- Recht und Politik