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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
was in den Evangelien dadurch zumAusdruck gebracht wird, dass Jesus am
Sabbat heilt. Dies nicht, um seinenGegnern eine liberaleAuslegung der jĂĽdi-
schenToraabzuringen,sondernweildersiebenteTagjenerTagist,durchdender
Messias eintritt und indemdieSchöpfung festlichneukonfiguriertwird.Eine
ähnliche Rolle spielt der Baumder Erkenntnis im zweiten Schöpfungsbericht
(Gen 2,4b–3): Er ist, wie eine genaueBetrachtungdesTextes zeigt12, einerseits
situiert imZentrumdesGartens(gewissermaßenalsDoppelgängerdesBaumes
des Lebens, der gleich einer Gottheit, diemit ihremLicht ĂĽber dieWelt aus-
strahlt, alles Sein des Gartens am göttlichen Leben partizipieren lässt), ande-
rerseits ist er dessen „Jenseits“ undRand,wobei dieseDoppeldeutigkeit wohl
bewusst gesetzt ist.DerZusatz,derdurchdenSabbat (zeitlich)bzw.denBaum
der Erkenntnis (räumlich) zumAusdruck gebracht ist, entzieht sich jeder un-
mittelbaren Repräsentation und schreibt eine grundlegendeÖffnung in das
raumzeitliche Geschehen ein. Da dieser Zusatz des siebenten Tages bzw. des
BaumesderErkenntnisdieZeit bzw.denRaumkonstituiert, sindwederRaum
noch Zeit identischmit ihrer Repräsentation. Anders gesagt: Die kategoriale
Welt ist niemals völlig identischmit sich selber, alle in ihr sich zumAusdruck
bringendenGrenzen(dieVerschiedenheitenderTageundderĂ–rter)haben ihr
„Anderes“eingeschrieben.AufdieseWeisewirdverhindert,dassdieEinschluss
undAusschlussmarkierendeGrenzeabsolutwird.DerdieZeitkonstituierende
Ein-Tag13ebensowiederdenRaumkonstituierendeBaumdesLebensmarkieren
die Grenzen der Raum-Zeit und sind auf ihr Anderes bezogen, in dessenOf-
fenheit sie stehen.DasHeilige istdamitkeinabtrennbarerRaum,der sichvom
ProfanenabgrenzenlieĂźe,sondernderunverfĂĽgbareZusatzdesProfanenselber,
deres erlaubt,dasProfane jeneuzukonfigurieren.
12 „UndGottJHWHließausdemErdbodenallerleiBäumewachsen,begehrenswertanzusehen
undgutzurNahrung,unddenBaumdesLebensinderMittedesGartens,unddenBaumder
Erkenntnis des Guten und Bösen“. (Gen 2,9) Das zweite „und“, welches den Baum der
Erkenntnis anzeigt, kannalsBeiordnungzumBaumdesLebensgelesenwerden(indiesem
Falle ist derBaumderErkenntnis parallel zumBaumdesLebens imZentrumdesGartens
situiert).MankannesaberauchalsBeiordnungzumgesamtenGartenverstehen:Indiesem
Falle istderBaumderErkenntnissozusagenauĂźerhalbdesHorizontsderdurchdenGarten
symbolisiertenSchöpfungsordnung.
13 Der biblischeText spricht konsequenterweise nicht vonderErschaffungdes erstenTages,
vielmehr ist das ersteWerkderEin-Tag als konstituierendesMomentder Schöpfung.Gen
1,5b:„undAbendwarundMorgen:einTag“(nicht:derersteTag!).Vgl.ErichZenger,Gottes
Bogen indenWolken.UntersuchungenzuKompositionundTheologiederpriesterschrift-
lichenUrgeschichte, StuttgarterBibelstudien112,Stuttgart1983.
NeubestimmungdesöffentlichenRaums inEuropa 111
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Title
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Subtitle
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Authors
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Editor
- Peter G. Kirchschläger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 722
- Category
- Recht und Politik