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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
10. DreimöglicheBeiträgedesChristentumszurGestaltungder
Zivilgesellschaft: Empathie,EinschlussderTotenunddie
EröffnungeinerExit-Strategie fürdieLebenden
BezüglichdesVerhältnisses vonReligionundöffentlichemRaum ist zuunter-
streichen,dassdieReligionniemalsdie zivile Sphäre für ihreZweckemonopo-
lisierendarfundumgekehrt auchkeinAusschlussderReligionausderĂ–ffent-
lichkeiterfolgensoll.MankönntevielüberdieFunktion,denBeitrag,aberauch
die Gefahren der Religionen für die Konstruktion und Erhaltung öffentlicher
Räume und der mit ihnen verbundenen Zivilgesellschaft schreiben, im Zu-
sammenhang dieses Artikels sollen aber drei besonders bedeutsame und oft
vernachlässigteBereicheherausgestrichenwerden:
Der erste Beitrag der in Europa anwesenden (abrahamitischen) religiösen
Traditionen imAllgemeinenunddesChristentums imSpeziellen fĂĽrdieZivil-
gesellschaft besteht darin, dass die ReligionenĂĽber ein ungeheures narratives
und affektives Register verfĂĽgen, welches fĂĽr die Agora fruchtbar gemacht
werdenkannundmuss20(hinterdersichimArtikeldurchziehendenOszillation
zwischen den Bezeichnungen „abrahamitische Tradition/Religion“ einerseits
undChristentumandererseits steckt letztlich auchdieAuffassung, dassnur in
einerumfassendenĂ–kumenederbeteiligtenReligionen,fĂĽrderenOrganisation
indergegenwärtigenSituationdasChristentumaufgrundseinerGeschichteund
„Infrastruktur“ besonders berufen ist, ein wirklicher Beitrag zur Zivilgesell-
schaftmöglich ist). Letztlich darf nicht vergessenwerden, dass deröffentliche
RaumaufgeteiltenAffektenberuht,d.h.eineArtgegenseitigeGrundsympathie
undallgemeineEmpathievoraussetzt.GeradeeineSchulungdieserAffektivität
in Richtung Empathie setzt Erzählungen voraus, die darumwissen, dass der
Mensch bzw. das Leben einerseits unendlich verletzbar, andererseits nicht auf
empirischeFaktenundaufunmittelbarehandhabbarePräsenzreduzierbarsind,
also über jede unmittelbare Präsenz hinausweisen. Die Religionen haben
–ebensowieKunstundPhilosophie – einTraditionspotential,welchesumdie
Verletzbarkeit undUnverfĂĽgbarkeit desDaseinsweiĂźundAffekte inRichtung
Empathie zukanalisierenvermag.Gleichzeitigbringensie auchdasungeheure
Paket einesunendlichenMachtanspruchsmit sich,derdurcheine starkeZivil-
gesellschaft–diez.B.indenUniversitätenStättenkritischerReflexionkultiviert,
die eine kritische Instanz gegenüber zivilen und religiösenMachtansprüchen
darstellen (sollten)– indieSchrankenzuweisen ist.
DerzweiteBeitragscheintmireinzuwenigbeachteterzusein:Europahatden
Gedanken des öffentlichenRaums kultiviert, dabei aber zunehmendund bei-
20 Vgl.dazubesondersPierangeloSequeri,Ilsensibileel’inatteso.Lezionidiestheticateologica,
BTC179,Brescia2016.
KurtAppel118
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Title
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Subtitle
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Authors
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Editor
- Peter G. Kirchschläger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 722
- Category
- Recht und Politik