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Paolo Budroni
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und zur Schau stellt. Die Orangerie also, auf einer »Postkarte«, als »Werbe-
plakat«, als überdimensional dargestellte Kulisse eines allmächtigen und
aufgeklärten Herrschers, der im Winter die Welt wundervoll zum Blühen
bringt, um sich und seinen Hof die besten Musiker, Librettisten und Opern-
komponisten jener Zeit versammelt, darunter diejenigen auswählt, die meis-
terhaft in der Lage sind in ein paar Tagen zwei beachtliche Werke zu schrei-
ben und zu komponieren, dabei auch noch kulturelle und sprachliche Gren-
zen sprengend – das alles konnte durch dieses Bild überzeugend dargestellt
werden.
Die Darstellung (descriptio) dient immer der Erzählung (narratio). Und
sie untersteht immer der Erzählung. In der antiken Rhetorik ist die descriptio
(ékphrasis) eine Sequenz von Zuständen und sie unterbricht die narratio im
Augenblick, wo sie an einem bestimmten Ort dargestellt wird. Ihre Funktion
ist die des Informierens.17
Diese besondere Art des Informierens verfolgt jedoch den Zweck die im
Bild dargestellte Realität als glaubhaft darzustellen (z.B. Omnipotenz des
Herrschers) und die Erzählung (narratio) im verosimile – also dem, was man
als wahrhaft darstellen will, im Spannungsbogen zwischen Sein und Erschei-
nung – zu verankern. Dies soll durch die überzeugende und gekonnte An-
wendung einer ganzen Serie von »Informationsbausteinen« erfolgen, wie z.B.
die Darstellung eines exklusiven Ortes (Orangerie des Schlosses), die Umge-
bung (weit, beheizt und hell erleuchteter Raum), eine Landschaft (üppige und
fruchtbare Zusammenstellung von exotischen Pflanzen, Symbole des
Wohlstandes), die Menschen (entspanntes Beisammensein von höhergestell-
ten und vermutlich wohlhabenden Entscheidungsträgern, darunter auch der
Kaiser, vermutlich die oberste Spitze des Staates). Das alles vermittelt (»ver-
kauft«) dieses verosimile als die Wahrheit).18
Die Propagandaziele konnten hiermit verfolgt werden und das Theater
weiterhin als Vermittler und als wertvolles Instrument in der kaiserlichen
Kommunikationspolitik angewendet werden. Wohlgemerkt in einer Welt, die
über weit weniger Kommunikationsmittel verfügte als heute.
Jedoch die Tatsache, dass ausgerechnet Loeschenkohl damit beauftragt
wurde, sagt noch etwas Zusätzliches aus. Seine Blätter sind als Kulturdoku-
mente ihrer Zeit auch heute noch geschätzt. Seine später periodisch erschie-
17 In dieser Kategorie der Information, fallen auch solche Unterkategorien, wie u.a.
die der Werbung (scheinbare Information, die durch Redundanz und Reiteration
der Information gekennzeichnet ist) und u.a. die Propaganda. Vgl. zur Descriptio:
Marchese, 1986, La descrizione, s. 101 und ff. wie auch Marchese, Dizionario di
retorica e di Stilistica, Milano, 1981.
18 Ein Phänomen, dem wir heute jeden Tag ausgesetzt sind, z.B durch die Reality-
Shows oder noch banaler durch einfache Radio oder Fernsehsendungen erzielt:
»ich glaube es, weil ich es im Radio gehört habe« oder »Ich glaube es, weil ich es
in den Nachrichten gesehen habe«.
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Title
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Subtitle
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Author
- Paolo Budroni
- Publisher
- V&R unipress
- Location
- Göttingen
- Date
- 2008
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 135
- Category
- Kunst und Kultur