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Der italienische Dichter Giovanni Battista Casti am Wiener Hof
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tauchten bald sogar Texte auf, die Casti nie verfasst hatte: Gegen diese Ein-
schübe wehrte er sich im Vorwort zu den Novelle galanti, die 1802 veröffent-
licht wurden.
Kurze Titelangaben charakterisieren diese Texte in Oktaven, die das Le-
sepublikum und die Verleger nicht zuletzt wegen mancher Schlüpfrigkeit und
einiger Verse mit dubiosem Inhalt publizierten. Casti setzte sich sehr offen
mit Themen auseinander, die als eine Satire an den Zuständen in Gesellschaft
und Klerus des 18. Jahrhunderts gedeutet werden können. Der korrupte Adel
wird genauso denunziert wie der verkommene Klerus, auch die frustrierte
Ehefrau ist Gegenstand satirischer Kommentare. Er stellte mit einer feinen
ironischen Klinge die Pseudomoral (Arce, *149) der Kirche bloß: falsche
Prediger und Bigotterie, die Freizügigkeit in kirchlichen Kreisen und der
lockere Umgang mit dem Zölibat werden angeprangert, und Casti wusste,
wovon er sprach. Auch sein Umgang mit kirchlichen Geboten und Verboten
war von seinen Zeitgenossen zur Genüge gerügt worden.
Doch kehren wir in das Jahr 1778 an den Hof der Zarin Katharina II. zu-
rück. Der Casti-Forscher Antonio Fallico (1972, 520–528), der in zahlreichen
noch unveröffentlichten Dokumenten aus der Feder des Poeten geforscht hat,
hat die Vermutung, dass der italienische Dichter auserkoren worden war
(1776, 1777–1778), in Petersburg das Terrain für eine österreichisch-
russische Allianz (gegen das osmanische Reich) auszuloten. Allerdings
scheint der Effekt dieser politischen Auszeichnung ein gegenteiliger gewesen
zu sein: In seinem Poema tartaro (1783) gibt Casti, wenn auch verdeckt
unter dem Mäntelchen der Allegorie, aber für die Leserschaft deutlich er-
kennbar, die Zarin und ihren Despotismus der Lächerlichkeit preis und wet-
tert gegen ihre Politik. Was war der Grund für seine wilde Ablehnung der
russischen Zustände, so dass er in einer fulminanten Schrift faktisch gegen
die Interessen des österreichischen Kaiserhauses operierte? Es scheint, dass
sein aufgeklärter Geist die Gefahr des Autoritarismus aufkommen sah, wenn
die absolute Monarchie (mit Hilfe des Klerus) die Macht im Staat allein auf
die Person des Kaisers konzentrierte. Andere Monarchen (z.B. Friedrich II
von Preussen), ja auch Papst Pius VI., werden im Poema tartaro heftig, wenn
auch unter falschen Namen, kritisiert. Zar Peter I., der Große, wird in Cublai,
gran Kan dei Tartari von 1786 heftig attackiert, was wahrscheinlich die
Ernennung zum kaiserlichen Hofpoeten unterbunden hat. Besonders heftig
wendet sich Casti in der Cicalata politica von 1790 gegen die politischen
Unsitten seiner Zeit. Noch unveröffentlicht bewirkte dieses Pamphlet das
Verbot der Publikation und der Aufführung seiner Werke in Wien (Boaglio,
37). Joseph II. tolerierte nicht ungern die scharfen Worte des Abbé, dessen
Aufgabe es war, die hehren Entscheidungen des Kaiserhofes in literarischer
Form zu verbreiten und deren sublimen Glanz zu verdeutlichen. Sein Nach-
folger Leopold war nur kurz auf dem Thron, erst Franz II. brachte Casti die
lang ersehnte Ehrung: Er, und nicht Lorenzo Da Ponte, wurde von diesem
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Title
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Subtitle
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Author
- Paolo Budroni
- Publisher
- V&R unipress
- Location
- Göttingen
- Date
- 2008
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 135
- Category
- Kunst und Kultur