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Ein Fest ohne Da Ponte
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Frauen und zu Spiel.9 Wie Casanova ist auch Casti für Da Ponte eine Person
hoher Ambivalenz, Gegenstand von Bewunderung wie Abstoßung gleichzei-
tig. Dies auch deshalb, weil Da Ponte wesentliche Anteile seiner Person,
seiner »Libertinage«, in den Memorie – geschrieben im puritanischen New
York – auf genannte Personen nachträglich projizieren respektive abspalten
konnte. Bei Casti gewinnt dies durch die existenzielle Bedrohung zusätzliche
Intensität, gerade auch deshalb, da er sich durch das subtile Agieren eines im
Hinblick auf seine dichterische Potenz schwer angreifbaren Gegners vor
Zerreißproben gestellt sah – im Intrigenspiel des höfischen Theaters.
Wie Da Ponte in seinen Memorie durchklingen läßt, hat sich zwischen
dem Theaterdichter und dem Kaiser eine besondere Beziehung herausgebil-
det, die sich mit dem Begriff der »Verwegenheit« beschreiben ließe. Dies
impliziert idealtypisch eine wechselseitige Bereitschaft zum Risiko: von
Seiten des Herrschers die Achtung des Selbstbewusstseins und der Eigen-
ständigkeit des Künstlers, von seiten des Künstlers die konsequente Reprä-
sentation dieses Selbstbewusstseins dem Herrscher wie jedem Dritten gegen-
über als Voraussetzung künstlerischer Produktion. Die »Verwegenheit« hat
in jener strukturell assymetrischen Beziehung für den Künstler zur Folge,
dem Herrscher auf »Augenhöhe« begegnen zu können – Voraussetzung auch
für dessen Respekt und Wertschätzung. Im Hinblick auf das Verhältnis von
Joseph II. und Lorenzo da Ponte mag dabei gerade der Aspekt der »jungfräu-
lichen Muse« (so der Ausruf des Kaisers, nachdem ihm Da Ponte bei der
ersten Begegnung gestanden hatte, noch kein einziges Libretto verfasst zu
haben) nicht so sehr als retardierender Faktor, sondern vielmehr als Aus-
gangspunkt einer lustvoll risikoreichen Spiel-Situation angesehen werden, in
welche sich Kaiser wie Dichter begeben. Die erste Begegnung mit dem Kai-
ser wird von Da Ponte als eines des denkwürdigsten Ereignisse seines Lebens
geschildert: »Dies war ohne Zweifel der glücklichste, genussreichste Augen-
blick meines ganzen Lebens. […] Dies allein schon gab mir die Kraft, in
meiner nicht kurzen theatralischen Laufbahn in Wien alles zu ertragen, und
war mir eine mächtigere Hilfe als alle Vorschriften, als alle Regeln des Aris-
toteles, die ich wenig gelesen und noch weniger studiert hatte. Es war die
Seele meines ganzen poetischen Triebs und führte mir die Feder bei meiner
großen Menge Dramen, die ich für sein Theater geschrieben habe, und end-
lich ließ mich dies aus einem sehr heftigen Kampfe siegreich hervorgehen,
der gleich beim Antritt meiner Stelle mit einer Anzahl unversöhnlicher,
schlechter Kritiker, Pedanten, Halbgelehrten, elenden Dichtern, und nach
allen diesen mit einem der berühmtesten und größten Dichter unseres Jahr-
hunderts begonnen hatte, der mir die höchste Ehre bezeugte, mich nicht allein
9 Lorenzo da Ponte: Denkwürdigkeiten, op. cit., S. 258
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND
Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Title
- Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen?
- Subtitle
- Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786
- Author
- Paolo Budroni
- Publisher
- V&R unipress
- Location
- Göttingen
- Date
- 2008
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-89971-477-7
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 135
- Category
- Kunst und Kultur