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3 DerDomals Stadtpfarrkirche
3.1 Stadtpfarrmusikanten und
„Totensinger“
DieTatsache, dass der SalzburgerDomnicht nurMe-
tropolitankirche, sondern seit 1635 auch Stadtpfarr-
kirchewarunddass ihmals solchemitdenStadtpfarr-
musikanten, die zusätzlich bei Begräbniszeremonien
als „Todtensinger“ fungierten, eine institutionalisierte
Gruppe vonMusikern zugeordnetwar, wurde bisher
in derMusikwissenschaft nichtwahrgenommen.
InderLiteraturwerdendieseMusiker immerwieder
erwähnt,allerdingsohnedassbisherdieVerbindungen
zumDomunddenanderenStadtpfarrkirchenerkannt
wordenwären.WährendPetrusEder darauf hinweist,
dassMozart dieBezeichnung „TodtenSinger“ nur für
„drittklassige Kirchenmusikanten“ gebraucht1, geht
HeinzWolfgangHamann inseinemArtikelüberFranz
JakobFreystädtler gar davon aus, „daß ‚Totensinger‘
ein spezielles Salzburger Synonym für eine bestimmte
SpeziesvonMusikernwar“2,waskaumdenTatsachen
entsprechen dürfte.3HermannSpies ist derEinzige,
der sich derMusik an der Stadtpfarrkirche ernsthaft
widmet und schon für die Zeit vorWolfDietrich die
Existenz vonParochiales belegt.4ErnstHintermaier
weist auf dasumfangreiche, die Stadtpfarrmusikanten
betreffendeAktenkonvolut imArchiv der Erzdiöze-
se hin und wertet die Akten für jene Musiker, die
gleichzeitig in derHofmusik aktivwaren, aus.5
Obwohl eine geographisch übergreifende wissen-
schaftlicheAufarbeitung der Stadtpfarr- undToten-
sänger noch aussteht, kannman schon jetzt davon
ausgehen, dass es hauptberufliche Stadtpfarrmusiker
in kleinen und größeren Städten Salzburgs, Öster-
1Vgl.Eder: „Die St.-PetrischenMusikanten“, S. 103.
2Hamann, HeinzWolfgang: „Johann JakobFreystädtler:
‚Totensinger‘ und ‚Stadt-Pfarr-Chorregent‘ in Salzburg“, in:
Mozart-Jahrbuch, 1993 (1994), S. 41–51, hier: S. 41.
3Ganz allgemein ist der Artikel Hamanns zwar in Bezug
auf Freystädtler ergiebig, die Informationen, die sich auf
Stadtpfarrmusikanten und „Totensinger“ beziehen, sind
allerdings nicht verlässlich.
4Spies: „DieTonkunst in Salzburg“ [Teil 1].
5Hintermaier:Die Salzburger Hofkapelle. reichs undBayerns gegeben hat6. Ihr Pendantwaren
nebenberuflichwirkendeKirchensänger in zahlreichen
kleinerenGemeinden7, die ebenfalls als „Totensinger“
fungiert haben dürften.8
In Salzburg war seit dem Mittelalter die heuti-
ge Franziskanerkirche Stadtpfarrkirche gewesen, die
gleichzeitig bis 1583 demBenediktinerinnenkonvent
derPetersfrauen alsKlosterkirche diente.Hermann
Spies vermutet, dass dieMusik dort seit jeher von
einem„CantormitHilfe einiger SängerundDomschü-
ler“ besorgtwurde, undweist neben einigen anderen
später aktiven Sängern undOrganisten bereits 1487
als ersten bekanntenKantor „Kilian Lehner, Chor-
singer in der Pfarr“, nach.9WeitereMusikergruppen,
die in dieser frühen Zeit in die musikalischen Ver-
richtungen der Stadtpfarre involviert waren, waren
ihm zufolge diePraependisten, die Sängerknaben der
Domschule, die 1583 von denCorporalern abgelöst
wurdenunddie,wie auchdieDomchoralisten, anden
sogenannten „Nebenkirchen“wie St. Blasius, St. Se-
bastian undNonntal die Kirchenmusik versahen.10
Gelegentlichwird indiesemZusammenhang lautSpies
6Belegt sind sie beispielsweise fürHallein (→AES,Hallein
6/78/20–24), Leoben,Graz (siehe die entsprechendenAr-
tikel zu beiden letzteren Städten inFlotzinger, Rudolf
(Hrsg.):OesterreichischesMusiklexikonONLINE, 〈URL:
http://www.musiklexikon.ac.at〉 –Zugriff am10.04.2013)
und Linz,→ Pillwein, Benedikt:Neuester Wegweiser
durch Linz und seine nächste Umgebung in historischer,
topografischer, statistischer, commerzieller, industriöser
und artistischer Beziehung, Linz:Huemer 1837, S. 36.
7Vgl.Hochradner, Thomas: „Zwischen fremdenModellen
und eigener Tradition – Kirchensinger in Salzburg“, in:
Gerd Grupe (Hrsg.):Musikethnologie und Volksmusik-
forschung inÖsterreich: Das ‚Fremde‘ und das ‚Eigene‘?
Aachen: ShakerVerlag 2005, (Musikethnologische Sammel-
bände, 20), S. 135–165.
8Auf dieExistenz vonKirchensängern in kleinerenGemein-
denweisen u.a.mehrere Liedersammlungen hin, die in der
Musiksammlung des SalzburgMuseums aufbewahrt wer-
den (A-Sca, Hs. 2083, Hs. 2089, Hs. 2090, Hs. 2221, Hs.
2244, Hs. 2413, Hs. 2222,Ms. 2407). Vgl.Gassner: „Die
Musikaliensammlung“, S. 362.
9Vgl. Spies, Hermann: „Die Tonkunst in Salzburg in der
Regierungszeit des Fürsten undErzbischofsWolfDietrich
vonRaitenau (1587–1612)“ [Teil 2], in:Mitteilungen der
Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 72 (1932), S. 65–
136, hier: S. 94.
10Spies: „DieTonkunst in Salzburg“ [Teil 1], S. 54.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur