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3.5 Besetzungen für verschiedeneAnlässe
Fränzelin aus Seeon, ebenfalls ein ehemaliger sankt-
petrischer Sänger, bestätigt den schlechtenZustand
der Stadtpfarrmusik um die Jahrhundertwende.126
Beigelegtwurde dieser Streit, in dem sich vor allem
der vermutliche StadtpfarrchorregentMatthiasReßl
und derRegensChori von St. Peter, JohannBaptist
Maringgele,mit zahlreichen und ausführlichenEinga-
ben an dasKonsistorium zuWort gemeldet hatten,
erst nach demTodMatthiasReßls im Jahre 1717.
3.5 Besetzungen für
verschiedeneAnlässe
Dass die Stadtpfarrmusikanten keineswegs vorwie-
gend als männliches Vokalquartett mit Begleitung
derOrgelmusizierten, sondern häufig auch in größe-
ren Besetzungen auftraten, wurde oben bereits an-
gedeutet. Zwei in diesemZusammenhang besonders
aufschlussreicheDokumente haben sich in denAkten
desKonsistoriums bzw. in denen der Stadtpfarre er-
halten. Es handelt sich dabei umdieSpecification. /
Was ieder Statt=PfarrMusicus von denen / vorfal-
lendtenGottesdiensten, auch waß / ieder Instrumen-
tist hat wie folgt.127 und dieOrdentliche austhaillung
nach ieder Saz oder Tax derenGottsdiensten bey der
Statt-Pfarr.128 Beide Dokumente wurden 1766 von
derHand Johann JakobFreystädtlers, der in seiner
Eigenschaft als Stadtpfarrchorregent zwischen 1766
und1787 für dieVerteilungderGelder zuständigwar,
geschrieben und sind in zeitlicher Nähe zueinander
entstanden.
Hamann, demnur die Specification [...] bekannt
ist, nimmt inUnkenntnis der Institution der Stadt-
pfarrmusikantenan,diesebezöge sich lediglichaufdie
„organisatorischeSeite derGottesdienste zuSt. Sebas-
tian“129. Beide Listen, die einander ergänzen, bezie-
hen sich jedoch aufmusikalischeDienste an verschie-
denenKirchen, an denen die Stadtpfarrmusikanten
tätig waren und für die sie, zusätzlich zu dem sehr
niedrigenGrundgehalt, das sie vonder Stadtpfarrkas-
se erhielten, bezahlt werdenmussten.Das betraf vor
126Eder: „Die St.-PetrischenMusikanten“, S. 102–103.
127AES, Altbestand, AT-AES 1.2.5/25/8, Übertragung vgl.
S. 102.
128AES,Dompfarre, AT-AES 5.144, Schachtel 110. Transkripti-
on vgl. S. 104.
129Hamann: „Johann JakobFreystädtler“, S. 45. allem die Seelenmessen und gestifteten „Jahrtags“-
Gottesdienste130, für die sie als „Totensinger“ verant-
wortlich waren und deren musikalische Gestaltung
einen großenTeil ihres Einkommens ausmachten.
Sowohl in der Specification [...] als auch in der
Ordentliche[n] austhaillung [...] stellt Freystädtler
verschiedeneBesetzungenunddie jeweils für denAuf-
traggeber anfallendenKosten zusammen.DieBezah-
lung derMusikerwar kompliziert und änderte sich je
nachBesetzung und sozialer Stellung desAuftragge-
bers.131 So verdiente ein Stadtpfarrsänger proDienst
zwischen 22xr. und1fl., derOrganist zwischen 30xr.
und1fl. 30xr. etc.Die beidenDiskantisten, also zwei
Kapellknaben, die den Sopran sangen, wurdenmit
15 xr. abgefunden.
Beide Listen warenmit einiger Sicherheit als In-
formation für dasKonsistorium bzw. für die Stadt-
kapläne als obereBehörde gedacht.Während in der
Specification [...] neun Besetzungen zwischen 2 fl.
6 xr. und 10 fl. 6 xr. angeführtwerden, sind es in der
Ordentliche[n]austhaillung [. . . ] nur fünfBesetzungen
zwischen 2 fl. 6 xr. und 6 fl. 6 xr., diemit den ersten
fünfderSpecification [. . . ] übereinstimmen.DieErklä-
rung für die unterschiedliche Zahl derEinträge liefert
Freystädtler in einerNachschrift zurOrdentliche[n]
austhaillung [.. .] in der er auf dieSpecification [.. .]
verweist: „Wird ab vor demAdl oder anderen eine
scheneremusic extranebenord:Tagbegehret,werden
solche a parte bezahlet, wieweisetmeine Zetl nach
consistorial-behelf, was bezahlletworden“.Denkbar
ist, dass die auf beiden Listen angeführten Beset-
zungen jenewaren, die häufiger nachgefragtwurden.
Überdies scheint in derOrdentliche[n] austhaillung
[. . . ] eine überarbeiteteVersion derSpecification [. . . ]
vorzuliegen, denn in ersterer teilt Freystädtler den in
letzterer ausgewiesenenRest der von denBestellern
gefordertenSumme,der zuZeitendesStadtchorregen-
130WiehäufigdieseGottesdienste,beidenenandenJahrestagen
desTodesRequiemmessenbestelltwurden, im18. Jahrhun-
dertwaren, zeigt eineEingabe des StadtkaplansMatthias
Reiter an das Konsistorium vom 6. Juli 1796, in der er
schreibt: „Es ist auffallend sonderbar, daß zu St. Sebastian
unter derWoche immer gesungeneRequiemgehalten, an
Sonntagen aber ingemein nur stilleMessen gelesenwerden.
Von denmeisten Jahrtagen sind die Stifters familien längst
ausgestorben.“AES,Altbestand,AT-AES 1.2.5/25/15.
131In derSpecificatio von 1739wird noch zwischenKondukten
„der reichisten“, „der mittlmässigen“ und „der geringen“
unterschieden.Vgl. Transkription S. 101.
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Musik am Dom zu Salzburg
Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Title
- Musik am Dom zu Salzburg
- Subtitle
- Repertoire und liturgisch gebundene Praxis zwischen hochbarocker Repräsentation und Mozart-Kult
- Authors
- Eva Neumayr
- Lars E. Laubhold
- Ernst Hintermaier
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-540-0
- Size
- 21.0 x 30.2 cm
- Pages
- 432
- Category
- Kunst und Kultur