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Licht und Mechanik im Theater des 17. und 18. Jahrhunderts
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Für die andere Art der Färbung des Lichtes wurden dünne, farbige Seidenstoffe (teils
aber auch bemaltes Ölpapier) in drehbaren Rahmen vor den Kulissen- und Soffitten-
lampen angebracht. Dies waren im heutigen Sinne einfache Theaterfarbfilter. Mit Hilfe
eines Hebelsystems mit Fäden konnte man sie verschieben und damit die Farbüber-
gänge ermöglichen, um zum Beispiel Sonnen- oder Mondlicht nachzuahmen. Auch die
langsame Erhellung oder Verdunkelung der ganzen Bühne bzw. einer ihrer Teile war
nach diesem von Sabbattini vorgeschlagenen Fäden-Mechanismus möglich.
Die vielen Fäden führten zu einer Stelle, meist seitlich der Bühne, von wo aus dann
das Licht zentral geregelt werden konnte. Dieser Mechanismus bildete das erste Prinzip
einer mechanischen Lichtsteuerung für die Bühne. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich
die Effekte des geöffneten Himmels, bei denen man das Licht an geritzten Metallflächen
reflektierte und dadurch ein spezielles Glitzern erreichte. Von der Unterbühne gab es
hingegen Lichteffekte in Form von herausschlagenden Flammenzungen (Abb. 10), Blit-
zen oder sprühenden Funken, womit zum Beispiel Höllenszenarien inszeniert wurden.
Im Spätbarock wurden vor allem Transparenteffekte beliebt, die auf der in der Mitte
des 17.
Jahrhunderts erfundenen Laterna magica des Jesuitenpaters Athanasius Kircher
(1602–1680) zurückgingen3 und zunächst zur Erzeugung von Mondscheinbeleuchtung
Verwendung fanden. Die Teile der Himmelsdekorationen wurden dabei ölgetränkt und
von hinten durchleuchtet, was die Tiefenwirkung der Bühne erheblich erhöhte. Die La-
terna magica (Abb. 11), auch Schattenbild-Laterne genannt, bildet den Ausgangspunkt
für die noch heute verwendeten Bühnen- und Filmprojektoren.
Der vordere Teil der Bühne, wo die Darsteller meistens agierten, wurde im oben be-
schriebenem System der abgestuften Lichteranordnung so hell wie möglich beleuchtet.
Das Licht fiel von allen Seiten auf die Schauspieler, wobei die Wirkung der Fußrampe
3 Kircher 1645–46, S. 93.
Abbildung 10. Dynamischer Feuereffekt. Die rot / gelben
Feuerzungen aus Seide wurden von unten mit handbetriebe-
nen Ventilator in Bewegung gesetzt.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Title
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Subtitle
- Hof – Oper – Architektur
- Authors
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Editor
- Matthias Müller
- Publisher
- Heidelberg University Publishing
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Size
- 19.3 x 26.0 cm
- Pages
- 618
- Keywords
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Category
- Kunst und Kultur