Page - 120 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
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schenAfrikahistorikerFrederickCooperundAnnLauraStolerEndeder1990er
Jahre für eine Forschungsagenda, die nichtmehr von einfachenDichotomien
zwischenHerrschernundBeherrschten ausgeht undnichtmehr zwischen im-
perialen und kolonialenHandlungsräumen trennt, sondern diese zusammen-
denkt. Postkolonialismus und Kulturtransferforschung haben ebenfalls we-
sentlicheImpulsegeliefert,denkolonialenMythoszudekonstruierenunddafür
gesorgt, dass dieGeschichteder europäischenExpansionnichtmehrodernur
umdenPreis groberVerkürzungalsFortschrittsnarrativ zuerzählen ist.
Trotzdem ist nicht zu übersehen, wie sehr die Deutung der europäischen
Expansionnoch immer zwischenMythosundGlobalgeschichte schwanktund
wiestarkMythendieGeschichtskulturnachwievorprägen.Es liegtdahernahe
zufragen,wieeinzelneMedienderGeschichtskulturmitMythenumgehen.Das
Schulbuch, oder genauer, das Geschichtsschulbuch lässt sich als ein solches
geschichtskulturellesMediumbetrachten. Eswird zwar in erster Linie als Bil-
dungsmediumkonzipiert undverstanden, ist abermindestens ebenso sehrein
Gradmesser dafür, wie exklusiv oder inklusiv dominante gesellschaftliche Er-
zählungen formuliert sindundaufwelcherFormhistorischenDenkensdieöf-
fentlicheGeschichtskulturbasiert.
Was das Schulbuch zu einem aufschlussreichen Forschungsgegenstand für
dieBeschäftigungmitFragenderGeschichtskulturmacht, istalsozumeinendie
Tatsache, dass esWissenauswählt, es kanonisiert oderdelegitimiert.9Kurz:Es
bestimmt,was die jeweiligeGeschichte ausmacht. Es ist zumanderendieTat-
sache, dassdasSchulbucheineAnleitungzurDeutungundSinnbildunghisto-
rischer Daten gibt, sei es geprägt vonMythen und homogenisierendenMeis-
tererzählungen,seiesimBemühenummultidimensionaleshistorischesDenken
wie JörnRüsenundandereesdargelegthaben.10VordiesemHintergrundistes
9 ThomasHöhne,Schulbuchwissen.UmrisseeinerWissens-undMedientheoriedesSchulbuchs,
FrankfurtamMain:JohannWolfgangGoethe-Universität,2003;MichaelW.Apple(Hg.),The
stateandthepoliticsofknowledge,NewYork:RoutledgeFalmer,2003;SimoneLässig,»Wer
definiert relevantesWissen?Schulbücherund ihr gesellschaftlicherKontext«, in:Eckhardt
Fuchs u.a. (Hg.), Schulbuch konkret. Kontexte – Produktion –Unterricht, BadHeilbrunn:
Klinkhardt, 2010, 199–215; FelicitasMacgilchrist undMarcusOtto, »Schulbücher für den
Geschichtsunterricht«, Version 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte; online verfügbar unter
http://docupedia.de/zg/Schulbuecher?oldid=88454, zuletzt geprüft am1.September 2016;
Staffan Selander (Hg.), Textbooks and Educational Media. Collected Papers 1991–1995,
Stockholm: International Association for Research on Textbooks and EducationalMedia
(IARTEM),1997.
10 Jörn Rüsen, Geschichtsbewusstsein. Psychologische Grundlagen, Entwicklungskonzepte,
empirische Befunde, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2001; Ders.,Historik. Theorie der Ge-
schichtswissenschaft, Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2013; Peter Seixas, ,,Progress, Presence
andHistoricalConsciousness.ConfrontingPast,PresentandFuture inPostmodernTime«,
in:PaedagogicaHistorica48, 6 (2012), 859–872;KlausBergmann,Multiperspektivität.Ge-
schichte selber denken, Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, 2008 [orig. 2000]; Linda
SusanneGrindel120
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher