Page - 128 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
Image of the Page - 128 -
Text of the Page - 128 -
ein Geschichtsschulbuch, in dem er einen universalgeschichtlichen Ansatz
verfolgte und die zeittypischen Eurozentrismen und Rassismen weitgehend
vermied. SeineDarstellung derKolonialzeit kommt jedoch nicht ohnemythi-
scheElementeaus.
[Africa]wasacontinentofblackmystery;onlyEgyptandthecoastwereknown.Here
wehavenospacetotelltheamazingstoryoftheexplorersandtheadventurerswhofirst
pierced the African darkness, and of the traders, settlers, and scientific men who
followedintheirtrack.Wonderfulracesofmenlikethepygmies,strangebeastslikethe
okapi,marvelousfruitsandflowers,andinsects, terriblediseases,astoundingscenery
of forest andmountain, enormous inland seas andmountains, gigantic rivers and
cascadeswere revealed–awholenewworld.36
WellsrekurriertaufzweiwesentlicheElementedesKolonialmythos:Zumeinen
geht er auf die Faszination durch das Fremde und Exotische, das »schwarze
Mysterium« ein, als das sich Afrika für die EuropäerInnen erweist. In einer
bildhaften Sprache erzählt er von wundersamen Menschenrassen, fremden
Tieren, fantastischen Früchten und Blumen, staunenswerten Landschaften,
riesigenBinnenseenundBergen, gigantischenFlüssenundWasserfällen–und
zitiert damit ein inEuropageprägtesmythischesAfrikabild, das vor allemdie
Großartigkeit seinerNaturschönheitenbetont.
Zumanderen geht er auf die aktive ErschließungdesKontinents durchdie
Europäer ein, alsodie »erstaunliche«GeschichtederEntdeckendenundAben-
teurer,die»indieafrikanischeDunkelheitvordrangen«.AufdieseWeisehaben
erkenntnishungrige, wagemutige und fortschrittbringende Entdeckendewun-
derbareDingeenthülltoder»revealed«unddenKontinentgleichsamausseiner
Geschichtslosigkeit und seinem traumähnlichen Stillstand aufgeweckt. Für
Kontakte undKonflikte zwischen ansässiger Bevölkerung und ankommenden
GruppenistindiesemNarrativkeinPlatz.StattdessenevoziertesdieVorstellung
vonAfrikaalsdeminsichselbstruhendenKontinent,derdemewigenKreislauf
derNaturausgeliefert ist.37
InneuerenSchulbüchern lebendieseDichotomienunddasBilddes traditi-
onsverhafteten, unbeweglichen Afrika stellenweise fort, wenn sie auf »wirt-
schaftliche Rückständigkeit« nachkolonialer afrikanischer Gesellschaften ver-
weisen oder auf Entwicklungsstillstand und Regierungshandeln, das klepto-
kratisch erstarrt sei.38Problemedynamischerwestlicher europäischer Staaten,
wie etwaUrbanisierung undMetropolenwachstum, scheinen auf afrikanische
36 HerbertGeorgeWells,AShortHistoryofMankindforSchools,Oxford:Blackwell,1925,170.
37 Speitkamp,Afrika, 5; dort auch derHinweis auf das in diesemNarrativ enthaltene hege-
lianischeGeschichtsbild, dasder französischeStaatspräsidentSarkozy in seinerRede2007
bemühte.
38 Frank Bahr u.a. (Hg.),Horizonte II. VomAbsolutismus bis zumErstenWeltkrieg, Braun-
schweig:Westermann,2006, 286.
SusanneGrindel128
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
back to the
book Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag"
Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Title
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Subtitle
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Authors
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Editor
- Christoph Kühberger
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 294
- Category
- Lehrbücher