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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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Page - 17 - in Österreichische Bürgerkunde

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/. Staat und Gesellschaft. 17 oder feindlich berührten und in weiterer Folge alle anderen gesellschaftlichen Kräfte sich darauf einstellen, ähnlich wie die Wellenkreise sich verbreitem, die ein ins Wasser versenkter Stein erregt. Darum kann das gesellschaftliche Leben nur unter dem Gesichtspunkte der Entwicklung erfaßt werden. Die gesellschaftliche Entwicklung ist nichts Einheitliches^). In ihrer Gesamtheit wird sie nicht von einem einzigen, seiner selbst bewußten irdischen Willen nach feststehenden Zielen hin bewegt. Sie umfaßt vielmehr, ebenso wie die Gesellschaft selbst, alle Bestrebungen und Rückwirkungen, die sich aus der psychologischen Wechselwirkung der Menschen bei der Verfolgung ihrer Interessen ergeben. Und doch ist die gesellschaftliche Entwicldung— im Gegensatze zur Ent- wicklung der äußeren Natur— zielstrebig. Denn die Menschen richten, soweit ihre Einsicht in die Ursachen des Geschehens reicht, ihr Verhalten so ein, daß der ge- wünschte Erfolg eintritt. Die große Mittellinie der gesellschaftlichen Entwicklung ergibt sich aus dem Gegenspiel aller gesellschaftlichen Kräfte; aber jede einzelne derselben wird von bestimmten Absichten bewegt und von Werturteilen geleitet. Die Glückssehnsucht spornt die Menschen zu nie rastendem Streben an und jeder Fortschritt der Kultur erleichtert die Erreichung des Zieles. Darum ist die gesell- schaftKche Entwicklung geradliniger und aktiver wie die natürliche. Trotz aller Rückschläge führt sie im großen ganzen zu höheren Daseinsformen. Aus der ur- sächlichen Verkettung aller Entwicklungsstufen folgt die geschichtliche Bedingtheit der gesellschaftlichen Erscheinungen und Einrichtungen, die Unmöglichkeit plötz- licher Sprünge und radikaler Umwälzungen. Auch wo solche angenommen werden, sind sie in Wirklichkeit durch treibende Kräfte und tiefer liegende Umbildungen vorbereitet worden, die aber der Aufmerksamkeit der leitenden Männer oder dem Urteile der Wissenschaft entgangen sind. Diese Folge des Entwicklungsgedankens ist für die Beurteilung politischer Bestrebungen von besonderer Wichtigkeit. Durch die aufsteigende Entwicklung wird das Gefüge der Gesellschaft immer komplizierter. Der gesellschaftliche Fortschritt vollzieht sich durch Differenzierung undIntegrierung ; dieDifferenzierung besteht in derAusbildung derTeile zu größerer Selbstigkeit, die Integrierung in ilu-er strafferen Zusammenfassung zueinem Ganzen von gesteigerter Leistungsfähigkeit^). Nach dem Vorbilde der Naturwissenschaften nenntman eine derartige durch die Einheit des Zweckes zusammengefaßte Mehrheit von Bestandteilen, deren jeder auf seine Weise dem Ganzen dient, einen Orga- nismus; die einzelnen Teile werden in ihrer Zweckbeziehung auf das Ganze als Organe bezeichnet^). So wird auch die Gesellschaft als ein Organismus aufgefaßt; die Gruppen, die ihr eingeordnet sind, wärendarnach ihre Organe, indem siebewußt oder unbewußt der Gesamtheit dienen. Aber auch die einzelnen gesellschaftlichen Gebilde werden als Organismen an- gesehen, wenn sie eine bestimmte Ordnung zur Wahrnehmung ihrer Interessen ausgebildet haben. Gruppen, die ihren Willen nach einer ständigen Regel durch hiefür eingesetzte Personen bilden und vollziehen, ihren Mitgliedern Pflichten auf- ^) Vergl. Adolf Merkel, Fragmente zur Sozialwissenschaft. Straßburg1898; daraus ins- besondere die Abhandlung: „Über den Begriff der Entwicklung . ."— -) DieseEinsichtverdanken Avir dem englischen Philosophen Herbert Spencer. Vergl. Anm. 3 auf S. 39.— ') Die be- kannte Fabel des Menenius Agrippa! Bauchberg, Bürgerkunde. 2
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Österreichische Bürgerkunde
Title
Österreichische Bürgerkunde
Author
Heinrich Rauchberg
Publisher
Verlag von F. Tempsky
Location
Wien
Date
1911
Language
German
License
PD
Size
16.4 x 24.0 cm
Pages
278
Categories
Geschichte Vor 1918
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