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20 //. Staat und Recht.
DerZweck des Rechtes ist : die Herstellung und Bewahrung einerFriedens-
ordnung, um den gesellschaftsfeindlichen Übeln des Streites, der Unsicherheit
und Unordnung zu wehren. Daher zieht das Recht nach einem allgemein als gültig
anerkannten Maßstabe Schranken zwischen den widerstrebenden Willen, um nach
Maßgabe der herrschenden Anschauungen jedem das Seine zuzuteilen^). Daß diese
Schranken eingehalten werden, ist das gemeinsame Interesse aller, nicht nur der-
jenigen, die vom Rechtsbruch unmittelbar betroffen würden. Bliebe er ungesühnt,
würde das Zutrauen in die Festigkeit der Rechtsordnung erschüttert, so wäre jeder-
mann in dem Besitze der Rechtsgüter bedroht. Bekämpfung des Unrechtes, auch
in der Form des Kampfes um das eigene Recht, ist daher eine gesellschaftliche
Pfhcht.
Die Vorschriften des Rechtes regeln also das äußere Verhalten des Menschen
zum Menschen, wie es die Rücksichten des gesellschaftlichen Zusammenlebens
erfordern. Als Äußerungen eines allen anderen überlegenen Willens, einer äußeren
Autorität, wirken sie als Beweggründe, um die Menschen zu dem rechtlich ge-
forderten Verhalten selbst dann zu veranlassen, wenn es ihren persönlichen Inter-
essen oder Neigungen nicht entspricht. Da das Recht Willenskreise gegeneinander
abgrenzt, wirkt es nach zwei Richtungen hin: es schützt und wehrt, gebietet und
verbietet, ermächtigt und bindet. Wo den Pflichten, die es auferlegt, kein be-
stimmter Berechtigter gegenübersteht, ist es die im Staate zur Rechtsgemeinschaft
geeinte Gesamtheit, die als Träger des entsprechenden Rechtes erscheint. In seinen
Geboten liegt eine doppelte Nötigung. Sie sprechen ein S o 1 1 en aus, indem siesich
an das Gewissen wenden, welches zur freiwilligen Erfüllung der Rechtsvorschriften
antreibt. Das Sollen steigert sich aber zu einem Müssen, indem zu den inneren
Motiven auch noch äußere Garantien für die Befolgung der Anordnung hinzu-
kommen.
Auf der Übereinstimmung des Rechtes mit den ethischen Mächten, mit
Religion, Moral und Sitte, beruht die innerlich verpflichtende Kraft
des Rechtssatzes^). Sie verstärken seine motivierende Wirkung durch die ihnen
eigene Gewalt über die Gemüter und erzielen eine innere Anerkennung des Rechts-
gebotes, die seine Erfüllung ganz anders sichert als äußerer Zwang. Diese An-
erkennung beruht zunächst auf der überirdischen oder irdischen Autorität, von der
die Vorschrift ausgeht; später, nachdem der kritische Geist erwacht ist, auf der
Einsicht in die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der einzelnen Vorschriften
oder doch der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit.
*) Zur Einführung in die Rechtslehre wird in erster Linie empfohlen: A. Merkel, Juri-
stische Enzyklopädie, 5. Auflage. Berlin 1904. und „Elemente der Rechtslehre" in dessen hinter-
lassenen Fragmenten und gesammelten Abhandlungen. 2. Bd. 1899. S. 577 ff. Eine für Nicht-
juristen berechnete systematische Darstellung der wichtigsten Teile der Rechtswissenschaft enthält
die 8. Abteilung des II. Teiles des Sammelwerkes ,,Die Kultur der Gegenwart". — ^) Die
Gebote des Rechtes unterscheiden sich von jenen der Religion, der Moral und Sitte
durch die äußere Autorität, von der sie ausgehen, durch die besondere Art ihrer Sicherung und
dadurch, daß sie in erster Linie das äußere Verhalten des Menschen zum Menschen, nicht
die Gesinnung zu regeln bestimmt sind. Es ist das Verdienst von Christian Thoma-
s iu s (1655 bis 1728), die grundsätzliche Verschiedenheit von Recht und Moral als einer der
ersten grundsätzlich auseinandergesetzt und für religiöse FreDieit eingetreten zu sein.
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book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918