Page - 34 - in Österreichische Bürgerkunde
Image of the Page - 34 -
Text of the Page - 34 -
34 VI' Die Staatenverbindwugen.
gesellschaftlichen Klassen also auch rechtlich geschieden werden. Die Republiken
der Gegenwart beruhen auf demokratischer Grundlage.
Innerhalb der demokratischen Repubhken wird zwischenunmittelbarer
undmittelbarer Demokratie unterschieden, jenachdem die Gesamtheit
der vollberechtigten Bürger die Herrschaft selbst oder durch gewählte Vertreter
ausübt. Der erstereTypuswar(abgesehenvoneinigenkleinenKantonenderSchweiz)
nur in den antiken Städtestaaten rein ausgebildet. In den modernen Republiken
erheischt schon die Ausdehnung des Staatsgebietes und die große Anzahl der Staats-
bürger die Einsetzung repräsentativer Organe für gewisse staatliche Funktionen^).
Das Volk selbst hat zwar die höchste staatliche Gewalt; aber es übt sie regelmäßig
durch gewählte Vertreter aus^).
Auch die Republiken bedürfen oberster Regierungsorgane. An ihi'cr Spitze
stehen entweder einzelne Personen (Präsidenten) oderKollegien (wie der Schweizer
Bundesrat). Dieselbenwerdenentweder unmittelbarvomVolke odervon den Volks-
vertretungen gewählt; im ersteren Falle ist ihre politische Stellung, insbesondere
derVolksvertretunggegenüber, stärker.Aber siewerdendeswegennichtzumhöchsten
Staatsorgane : in letzter Linie ist nicht ihr Wille, sondern der der vollberechtigten
Staatsbürger oder ihrer Vertretung der maßgebende.
VI. Die Staatenverbindungen.
Von jeher sind die Staaten bei der Verfolgung ihrer Interessen auf andere
Staaten gestoßen. UmKampf zu vermeiden oder gemeinsame Zwecke besser walir-
zunehmen, müssen diese Beziehungen rechtlich geordnet werden. Das geschieht
entweder von Fall zu Fall oder für die Dauer. Dauernde Vereinbarungen bezwecken
entweder einzelne gemeinsame Interessen wahrzunehmen^) oder die Gesamtheit
der Staatsinteressen gleichsam in ihrem Mittelpunkte, nämlich durch den Macht-
zweck des Staates zu wahren und zu fördern. Dauernde rechtliche Vereinigungen
von Staaten, die solchermaßen die politische Soüdarität der beteiligten Staaten
zum Ausdruck bringen, werden Staatenverbindungen genannt.
Das Streben nach wissenschaftlicher Übersicht hat dazu gefülnt, ähnlich wie
aus den Verfassungsformen der einzelnen Staaten auch aus den Formen ilirer
Verbindungen gewisse Typen abzuleiten, um darnach die einzelnen tatsächlich
vorkommenden Staatenverbindungen theoretisch zu kennzeichnen. Von Erfolg ist
dieses Streben nur bei den Verbindungen zwischen Staaten der abendländischen
Kultur. Hingegen sind deren Beziehungen zu den minder ziviüsierten Ländern,
die sie ilu-em Einflüsse unterworfen haben, so mannigfaltig, daß sich allgemein
gültigeTypen für die daraus entstehenden Abhängigkeitsverhältnisse (Kolonien,
Protektorate und Schutzgebiete) nicht aufstellen lassen^). Das gleiche gilt von
^) Eine Ausnahme bilden nur einzelne Kantone der Schweiz in welchen die Gesetzgebung
der gesamten Volksgemeinde zusteht.— ') In dem sogenannten Referendum ist eine Form
gefunden,um alle vollberechtigten Staatsbürger durch unmittelbare Abstimmung an der Gesetz-
gebung teilnehmen zu lassen, woraus sich verschiedeneMischformen zwischen mittelbarerund un-
mittelbarerDemokratie ergeben.— ^) Das geschieht besonders durch sogenannte Verwaltungs-
vereine, wie z. B. der internationale Telegraphenverein, der Weltpostverein, die Meterkon-
vention u. a. m. — *) Eine im Schwinden begriffene Form der Abhängigkeit ergibt sich
aus dem Verhältnisse zwischen Ober- und Unterstaaten (Süzeräne und souzeräne
Staaten). Der Unterstaat ist nach innen in der Regel selbständig, nach außen aber, also
back to the
book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918