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VI. Die Staaienverhindungen. 35
neuerworbenen europäischen Gebieten, die dem erwerbenden Staate nicht völlio"
eingegliedertwurden, wiez. B. Elsaß-Lotliringen, dannvonBosnienund derHerzego-
Für die Verbindungen zwschen Staaten der abendländischen Kultur ergeben
sich hauptsächlich drei Formen, die im Laufe der Geschichte wiederkehren: der
Staatenbund, der Bundesstaat und die Union. Alle drei Arten der Staatenverbin-
dungen bezwecken, die beteiligten Staaten soweit zusammenzuschließen, als es
die Wahrung ihrer gemeinsamen politischen Interessen erfordert; aber auch nicht
weiter. Dabei muß die richtige Mittellinie zwischen den Solidarinteressen und den
Sonderinteressen der verbundenen Staaten gezogen werden; beide gehen nicht
immer Hand in Hand. Jede Staatenverbindung ist daher gegensätzlichen Strö-
mungen ausgesetzt ; die einen sind auf die Stärkung, die andern auf die Lockerung
der Gemeinschaft gerichtet.
Während die Union darauf beruht, daß zwei oder mehrere monarchische
Staaten von der gleichen Person beherrscht werden, hegt der Unterschied zwischen
dem Staatenbund und dem Bundesstaate in der loseren oder strengeren Form der
Vereinigung. Die losere Form ist der Staatenbund. Sie gehört bereits der
Vergangenheit an"). Der Staatenbund besteht in der dauernden Verbindung un-
abhängiger Staaten in erster Linie zum Schutze des Bundesgebietes und zur
Bewalirung des Friedens zwischendenverbündeten Staaten. Aber diese Verbindung
beruht ledighch auf Vereinbarung, sie greift nicht in das innere Staatsrecht der
verbündeten Staaten ein, mindert nicht ihre Souveränetät und verpfhchtet nicht
ilu-e Untertanen. Der Staatenbund steht auf dem Boden des Völkerrechtes: er
vereinigt die verbündeten Staaten nicht zu einer Körperschaft, sondern ledighch
zu einer Gesellschaft. Bundesbeschlüsse können daher nach innen wie nach außen
nicht dmch den Bund als solchen, sondern ledighchdmch die Gliedstaaten durch-
gefülu-t werden. Die Schwäche des Staatenbundes liegt daiin, daß er weder eigene
Gewalt noch eigene wtschafthche HiKsquellen besitzt und in allenDingen aufden
guten Willen der verbündeten Staaten angewiesen ist. Überwiegen die Gegensätze
zwischen ihnen, so fülirt dies zurAuflösung derVerbindung ; überwiegendie Gemein-
interessen, so streben sie nach Befestigung und der Staatenbund entwickelt sich
zum Bundesstaate^), wenn nicht zum Einheitsstaaten).
Anders derB und e s s t a a t. Er ist selbst ein Staat, der aus einerim inneren
Staatsrechte der Gliedstaaten befestigten Verbindung derselben hervorgeht, mit
eigenem Willen und eigener Gewalt, die sich unmittelbai' auf die Bürger der Ghed-
staaten erstreckt, und wirkt daher auf das innere Staatsrecht der Ghedstaaten
zmück. Darüber, ob die Souveränetät dem Bundesstaate oder den Ghedstaaten
zustehe oder zwischen ihnen geteilt sei, gehen die Anschauungen auseinander;
jedenfalls ist die Kompetenz derart aufgeteilt, daß gewisse staathche Aufgaben
völkerrechtlich dem Oberstaate untergeordnet; er schuldet ihm wohl auch Heerfolge und
Tribut. Dieses Verhcältnis fülirt jedoch in der Regel entweder zur Unabhängigkeit des Unter-
staates (die Balkanstaaten!) oder zur Einverleibung in den Oberstaat. — ^) Vergl. darüber das
XIV. Kapitel. — 2) Geschichtliche Beispiele: der Rheinbund, der Deutsche Bund, die
Schweizerische Eidgenossenschaft 1815—1848, die Vereinigten Staaten vonAmerika1771—1787.
— ^) So der Deutsche Bund. — *) So die Niederlande.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918