Page - 47 - in Österreichische Bürgerkunde
Image of the Page - 47 -
Text of the Page - 47 -
IX. Die Ausbildung der Staatsgewalt. 47
Behördenorganisationwurde vonFerdinand I. weiter ausgebildet. Seitherbestanden
die folgenden Zentralstellen: der Geheime Rat zur Beratung des Monarchen in
wchtigen, insbesondere in auswärtigen Angelegenheiten, die Hofkanzlei, die bis
1620 auch die Reichsangelegenheiten besorgte, die allgemeine Hofkammer für die
landesfürstliche Finanzverwaltung und der Hofkriegsrat zm- obersten Leitung
und Verwaltung des Heereswesens. Denn auch hierin v/ar ein wichtiger Umschwung-
eingetreten. Die mihtärische Macht stützt sich seit dem Ausgange des Mittelalters
nicht mehr auf die Ritterschaft. An ihre Stelle treten mit dem Aufkommen einer
neuen Waffen- und Kriegstechnik Söldner. Sowohl von den Landesfürsten als
auch von den Ständen wm'den sie angeworben. Aber nach der Vernichtung der
ständischen Macht sind es die Fürsten allein, die Heeresmacht unterhalten. An
Stelle der von Fall zu Fall angeworbenen Söldnerscharen treten stehende Heere
und so ist seit dem Dreißigjährigen Kriege die Kriegsmacht in dem einheitlichen
kaiserlichen Heere begründet. Die weitere Ausbildung des Staatsgedankens bringt
es mit sich, daß das Werbesystem durch die Wehrpflicht ersetzt wird und der
Gedanke staatsbürgerlicher Gleichheit macht sie zu einer allgemeinen staats-
bürgerMchen Pfhcht; das Heer ist darnach die KampfOrganisation des Staats-
volks.Für die innere VerwaltungBöhmensundUngarns (späterauch Siebenbürgens)
bestanden eigene Hofkanzleien,
Dadm-chdaß der Staatunterdem GesichtspunktederPolizeiseineVerwaltungs-
tätigkeit stetig erweiterte, wurde die Bedeutung der landesfürsthchen Behörden
und des Berufsbeamtentums erhöht. Mit Recht wird daher der Staat, nachdem er
sich den ständischen Gewalten gegenüber dm'chgesetzt hatte, nach seinen Organen
als Beamten- und Militärstaat, nach seinen Zielen als Wohlfahrtsstaat, nach seinen
Mitteln und Maßnalmien als Polizeistaat bezeichnet.
5. Die Zurückdrängung der ständischen Gewalten.
Vorerst war aber noch der Widerstand der Stände gegen die neue Ordnung
der Dinge zu beseitigen. Die Macht der Stände hatte nämlich gegen den Ausgang
des Mittelalters aus verschiedenen Ursachen gewaltig zugenommen. Der Aus-
bildung einer landesfürstlichen Verwaltung und der Einführung des römischen
Rechtes setzten sie unter Berufung auf den „Landesbrauch" beharrlichen Wider-
stand entgegen. Als dieser erfolglos bheb, suchten sie die Behördenmit ihrenLeuten
zu besetzen und dem wachsenden Einflüsse der landesfüi'sthchen Verwaltung
durch eine landschaftliche Verwaltung zu begegnen. So war der Staat jener Zeit
eigentüch ein Doppelstaat: nur dadurch, daß der Landesfürst sich des ständischen
Staates erwehrte, konnte er seinen Staat, den Fürstenstaat, dm-chsetzen. Der
KampfzwischendemaufstrebendenlandesfürsthchenAbsolutismusund denStänden
nimmt im Zeitalter der Reformation in Österreich eine religiöse Färbung an: er
fällt zusammen mit Reformation und Gegenreformation. Die Stände bedienen
sich der religiösen Bewegung, um ihre politische Macht zu befestigen. Die Gegen-
reformation bietet dem Absolutismus die Handhabe, um sie niederzuwerfen.
Am schärfsten vollzieht sich der Umschwung in Böhmen. Nach der Schlacht am
Weißen Berge ist die Macht der böhmischen Stände gebrochen. Die Verfassungs-
änderung von 1620 bildet den Ausgangspunkt für die Beseitigung der Eigen-
staathchkeit Böhmens ; die durch den Majestätsbrief von 1609 gewälu-te Rehgions-
freiheit wird zurückgenommen, die böhmische Hofkanzlei nach Wien verlegt, die
back to the
book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918