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Dritter Teil.
Die staatsrechtlicheEigenart der Österreichisch-
ungarischen Monarchie und ihrer Bestandteile.
Vorbemerkung.
Die Verfassung sowohl der österreichisch-ungarischen Monarchie als auch ihrer
staatsrechtlichen Bestandteile beruht auf einem Ausgleich zwischen gegensätzlichen
politischen Bestrebungen: zwischendem Einheitsgedanken, der auf die Großmacht-
stellung der Monarchie abzielt, und den sich dagegen stemmenden geschichthchen
Überlieferungen und nationalen Sonderbestrebungen der einzelnen, ehemals selb-
ständigen Bestandteile des Reiches und seiner beiden Gliedstaaten. Bei der Neu-
gestaltung der Monarchie war daher eine dreifache Aufgabe zu lösen: die Be-
dingungen ilirer auswärtigen Machtstellung zu wahren, der staatsrechtüchen
Sonderstellung ihrer Bestandteile Rechnung zu tragen und das staatliche Leben
des Ganzen wie der einzelnen Teile in konstitutionellen Formen neu zu regeln^).
Nach diesen Gesichtspunkten haben Avir nunmelu' zunächst die staatsrechtliche
Eigenart derösterreichisch-ungarischenMonarchie, dann ihrer beiden Güedstaaten,
Österreichs und Ungarns, endlich des gemeinsamen Verwaltungsgebietes, Bosniens
und der Herzegowina, zu erörtern und zu untersuchen, welchen von den typischen
Formen sie entsprechen, nach denen die Staatslelu'e die Staaten einzuteilen pflegt^).
Hiebei werden die Einrichtungen der Gesamtmonai'chie und des gemeinsamen Ver-
waltungsgebietes vollständig dai-gestellt werden, soweit der Zweck dieses Buches
es erfordert. Das Staatsrecht Österreichs wird in den späteren Abschnitten aus-
geführt werden; die wichtigsten Verfassungseinrichtungen Ungarns finden sich
gelegentlich angemerkt.
XL Die Gesamtmonarchie.
I.Ziele und Inhalt der Gemeinschaft.
Die Erörterung der staatsrechtlichen Eigenart der österreichisch-ungarischen
Monarchie knüpft an die Bemerkungen des X, Kapitels über die geschichtliche
Stellung Ungarns innerhalb des Gesamtstaates an^). Derim Jalire 1867 geschlossene
,,A u s g 1 e i c h" zwischen der österreichischen und der ungarischen Reichs-
hälfte vereinigte die Anforderungen der auswärtigen Machtstellung, sowie derWirt-
schaftseinheit derMonarchie mit der in konstitutionellenFormen gefaßten staat-
lichen Selbständigkeit ihrer beiden Gliedstaaten*).
,
^)Vergl. F.Freiherr vonWieser, ÜberVergangenheitundZukunftder österreichischen
Verfassung. Wien 1905.— ") Vergl. das V. Kapitel.— ^) Vcrgl. insbesondere Anm. 2 auf S. 52 und
Anm. 4, S.56.— *) Vcrgl. H.Steinacker, ZurFragenachderrechtlichenNaturderÖsterreichisch-
ungarischen Gesamtmonarchie. (ErweiterterSonderabdruck aus ,,Österr. Rundschau"XXIII. Band,
Heft 4 und 5) und die ausführliche Darstellung bei Fr. T e z n e r, „Der Kaiser". Wien 1909.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918