Page - 79 - in Österreichische Bürgerkunde
Image of the Page - 79 -
Text of the Page - 79 -
XVI. Der Monarch und die Dynastie. 79
freien Staatstätigkeit, die im IV. KapiteP) als Regierung bezeichnet worden
ist*). Hierhergehört dieVertretung sowohl des Gesamtstaates als auch der beiden
Gliedstaaten dem -Auslände gegenüber, mithin auch der Abschluß der Staats-
verträge. Der Kaiser erklärt Krieg und schließt Frieden ; er führt den Oberbefehl
über die bewaffnete Macht. Da die auswärtigen Angelegenheiten und,das Kriegs-
wesen, worauf die äußere Machtstellung der Monarchie beruht, sowie die hiefür
erforderlichen Auslagen Österreich und Ungarn notwendigerweise gemeinsam sind,,
handelt in diesen Hinsichten der Monarch als Repräsentant der Gesamtmonarchie.
Seine Stellung gegenüber der gemeinsamen Verwaltung, den Delegationen und den
gemeinsamen Ministerien^) entspricht der Stellung gegenüber den verfassungs-
mäßigen Vertretungskörpern der beiden Gliedstaaten.
In allen anderen Beziehungen untersteht jeder der beiden Ghedstaaten für
sich den besonderen Regierungsgewalten seines Monarchen, die in der Person des
Kaiserszusammentreffen. Sie erstrecken sich soweit, als dieVerfassungen nichtaus-
drücklich dieMit\mkung (beiderGesetzgebung)oderdas selbständigeEintreten (bei
derRechtsprechung)andererOrganeanordnen. DieMaßnahmen,umdieVertretungs-
körper zu organisieren und in Wirksamkeit zu setzen*), Behördenorganisation,
Ernennungen, Ehrenhoheit (Verleihung von Titeln, Orden und sonstigen staat-
lichen Auszeichnungen), Verordnungs- und Befehlsgewalt, das alles sind nur ver-
schiedene Äußerungsformen derselben, in der Hand des Kaisers vereinigten und
in verfassungsmäßiger Weise auszuübenden Staatsgewalt. Ihre Handhabung ist
zwar notwendigerweise arbeitsteihg und weiterhin örtlich auf zahlreiche mittelbare
Staatsorgane verteilt; aber alle Amtsbefugnisse sind aus der Übertragung von
StaatsgewaltseitensdesMonarchenabgeleitet.Das istdieBedeutungderBezeichnung
aller staatlichen Ämter, Behörden, Gerichte, Anstalten und der mit der Geschäfts-
führung betrauten Beamten in Österreich als kaiserlich, königlich, in Ungarn als
königlich. Das wkd durch das kaiserliche Wappen symbolisch, durch das Bildnis
des Monarchen auf den Münzen und Briefmarken augenfällig ausgedrückt.
Man pflegt aus der Fülle der dem Monarchen zustehenden Befugnisse einen
bestmimten Kreis als seine Prärogative herauszuheben. Das Wort ist
während des Kampfes der englischen Könige mit dem Parlamente geprägt worden
und hat eine überwiegend politische Bedeutung. Im modernen Sprachgebrauche
bezeichnet es, wie schon der Wortsinn andeutet, die Punkte, die dem Monarchen
bei der Beschränkung seiner früheren Machtvollkommenheit durch konstitutionelle
Einrichtungenvorbehaltenblieben, entwederderVolksvertretung oderdenMinistern
gegenüber. In ersterer Hinsicht also insbesondere den Einfluß des Kaisers auf die
Vertretungskörper: Einberufung, Vertagung, Schluß der Sessionen, Auflösung der
Kammern, Erteilung oder Versagung der Sanktion usw., dann aber wohl auch
Wahrung des kaiserlichen Verordnungs- und Befehlsrechtes und der sonstigen
Kompetenz der Krone den Vertretungskörpern gegenüber; in letzterer Hinsicht
solche Geschäfte des Kaisers, die ihm persönlich vorbehalten sind, nicht an die
Minister delegiert werden können und einer Gegenzeichnung durch dieselben weder
bedürfen noch fähig sind (Reservatrechteder Krone). Hierher gehört insbesondere
der Oberbefehl über die bewaffnete Macht.
1) Vergl. oben S. 31. — *) Das ist der Sinn des oft zitierten Ausspruches von Thiers:
„Le roi regne, mais ü ne gouverne pas." — *) Vergl. das XI. Kapitel S. 62.— *) Vergl. das.
XVIII. Kapitel S. 95.
back to the
book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918