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XX. Behördenorganisation und öffentlicher Dienst. 111
die Ordnung des Wahlrechtes wird der Einfluß der Bewohner auf die Gremeinde-
verwaltung abgegrenzt und abgestuft. Die Gemeindevertretung besteht aus dem
Gemeindeausschuß unddemGemeindevorstand. Der Gemeinde-
ausschuß ist das beratende, beschließende und kontrollierende Kollegium; seine
Mitgliederzahl wächst mit der Größe der Gemeinde. Der G^meindevorstand besteht
ausdemGemeindevorsteher(Bürgermeister)undmehrerenGemeinderäten ; erhat die
laufenden Angelegenheiten zu erledigen^). Die Vollzugsgewalt liegt in den Händen
des Gemeindevorstehers. Zur Bearbeitung der Geschäftsstücke sind, namentlich in
dengrößeren Gremeinden, Berufsbeamte angestellt ; in den Statutargemeindenbüden
dieselben den Magistrat^).
Die Gemeindewahlordnungen regeln dieWahlen in den Gemeinde-
ausschuß. Gewisse Gemeindemitglieder (die sogenannten Honoratioren) sind auf
GrundihrerpersönlichenStellungoderEigenschaftenwahlberechtigt, alleanderenauf
Grund ilirerLeistungen an direkten Steuern. Damachwerden dieWähler in drei (in
kleinen Gemeinden in zwei)Wahlkörper eingeteilt. Diejenigen, die zusammen ein
Drittel (oder die Hälfte) der Steuern zahlen, wählen zusammen ein Drittel (oder
die Hälfte) des Gemeindeausschusses^). Die Honoratioren gehören in der Regel
dem ersten, die unteren Schichten derselben in manchen Gemeindendem zweiten
Wahlkörper an. Den Gemeindegenossen gebührt das aktive und passive Gemeinde-
wahlrecht unterdengleichenBedingungenwie denGemeindeangehörigen. Minderung
der bürgerlichen Ehrenrechte und ähnliche Umstände entziehen das Wahlrecht;
auch aktive J\lilitärpersonen können es nicht ausüben. Der Gemeindevorstand wird
vom Gemeindeausschusse aus seiner Mitte gewählt. Grundlose Weigerung zur
Annahme der Gemeindeämter ist mit Geldbuße belegt.
Als Kommunalverbände höherer Ordnung sind die B e-
zirksverbände und dieLänder zunennen.Bezirksvertretungen
bestehenauflandesgesetzlicherGrundlagenur in Steiermark,Böhmenund Galizien*),
Dmen obliegen gewisse örtliche Verwaltungsaufgaben, die besser für einen weiteren
Kreis als den immerhin eng umschriebenen der Gemeinde durchgeführt werden:
Krankenanstalten und andere Einrichtungen der Gesundheits-, Wohlfahrts- und
Wohltätigkeitspflege, Straßen, Förderung der Landeskultur usw. Zur Durch-
fühi'ung dieserAufgaben dienen nächstdemeigenenVermögen der Bezirke Zuschläge
zu den direkten Staatssteuern, die sie bis zu einer gewissen Höhe selbständig,
darüber hinaus mit höherer Genehmigung einheben können. DieBezirksver-
tretung wird durch Wahl aus ähnlichen Interessenkurien bestellt, wie sie dem
Landtagswahlrechte zugrunde liegen. Aus ihr geht als engeres Kollegium der Be-
zirksausschuß hervor. An der Spitze beider Kollegien steht der Bezirksobmann.
Die wichtigeren Angelegenheiten sind der Bezirksvertretung, die laufenden Ge-
schäfte dem Bezirksausschusse zugewiesen. Neben der Verwaltung ihrer eigenen
Angelegenheiten beaufsichtigen die Bezirksvertretungen die Geschäftsführung der
^) In den großen Städten führen diese Kollegien verschiedene Bezeichnungen, in Wien z. B.
heißt das weitere Gemeinderat, das engere Stadtrat. — *) Eine Zusammenfassung aller Gesetze
und wichtigen Vorschriften, die sich auf die Geschäfte der Gemeindeämter beziehen, enthält das
, (Handbuch für Stadt- und Landgemeindeämter", herausgegeben von F. H o fman n. I. Band.
Wien, 1911.— ') Über die Verknüpfung zwischen Wahlrecht und Steuerleistung vergl. die Be-
merkungen auf S. 86. — *) Die Sprengel der ,,Vertretungsbezirke" entsprechen in Steiermark
und Böhmen imallgemeinenjenen der Gerichtsbezirke, in Galizien den Bezirkshauptmannschaften.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918