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168 XXXIX. Die Wehrmacht.
zu", sagt das österreichische Gesetz über den staatsrechtlichen Ausgleich mit
Ungarn^). Dem kaiserlichen Oberbefehl unterstehen daher insbesonderse : die
Organisation, die Friedens- und Kriegsformation der bewaffneten Macht, ihre
örtliche Verteilung (Dislokation), Mobilisierung und kriegsbereite Aufstellung,
ihre Ausrüstung, Bewaffnung und Bekleidung, die Inspektion und Disziplin, die
Ernennung, Versetzung, Pensionierung und Entlassung der Offiziere und Militär-
beamten. Die zur Leitung der Wehrmacht erforderliche Kommandogewalt wird
vom Kaiser verliehen.
Die bewaffnete Macht setzt sich zusammen aus der österreichisch-ungarischen
Armee und der Kriegsmarine. Die Armee bildet vermöge der Einheit-
lichkeit ihrer geschichtlichen Entwickelung, des Allerhöchsten Oberbefehles, der
Zweckbestimmung, Leitung und Führung sowie der Gleichförmigkeit der inneren
Organisation in militärischer Hinsicht eine Einheit. Die Bewahrung dieser Ein-
heithchkeit ist eine wichtige Voraussetzung ihrer Kriegstüchtigkeit und Schlag-
fertigkeit. Die besondere staatsrechtliche Gestaltung derösterreichisch-ungarischen
Monarchie bringt es jedoch mit sich, daß innerhalb der Armee verschiedene Be-
standteile zu unterscheiden sind: 1. Das k. u. k. Heer. Seine Truppen ergänzen
sich aus beiden Reichshälften und seine Kosten gehören zu dem gemeinsamen
Aufwand; das gleiche gilt auch von der Kriegsflotte. 2. Dieösterreichische
unddieungarischeLandwehr. Die beiden Landwehren bilden ergänzende
Bestandteile der Armee. Sie werden teils durch Übersetzung aus dem stehenden
Heere nach erfüllter Heeresdienstpflicht, teils durch unmittelbare Einreihung
gebildet, ergänzen sich aber getrennt; die österreichische Landwehr besteht aus
österreichischen, die ungarische aus ungarischen Staatsangehörigen. Der Aufwand
hiefür fäJJt im Frieden den beiden Gliedstaaten zur Last, im Kriege gehört er zu
den gemeinsamen Auslagen. 3. Die Landsturmtruppen, die gleichfalls
in Österreich und Ungarn getrennt organisiert und in zwei Aufgeboten zur Er-
gänzung des Heeres bestimmt sind. Als organisierte Teile derWehrmacht werden
sie nach den Regeln des Völkerrechtes im Kriege als Kombattanten behandelt^).
Innerhalb der österreichischen Landwehr und des österreichischen Landsturmes
nehmen in Tirolund Vorarlberg die Landesschützenund derLandsturm inmancher
Hinsicht eine Sonderstellung ein. 4. Vermöge der Ausdehnung der Souveränetät
des Kaisers auf Bosnien und die Herzegowina gehören die aus der
Bevölkerung dieser Länder ergänzten Truppen nunmehr auch staatsrechtlich
zur österreichisch-ungarischen Armee. Ihre Verlegung in österreichisches oder
ungarisches Staatsgebiet war schon 1890 gesetzlich geregelt worden.
Die Wehrpflicht beruht nach den Wehr-, Landwehr- und Landsturm-
gesetzen^) auf dem Grundsatze der Allgemeinheit. Sie beginnt mit dem 1. Jänner
^) Der ungarische Gesetzartikel XII von 1867 erklärt dies als eine Folge „der verfassungs-
mäßigen Herrscherrechte Sr. Majestät in betreff des Kriegswesens". Daraus leitet das ungarische
Parlament den Anspruch ab, auch auf Angelegenheiten des Allerhöchsten Oberbefehls ,,ver-
fassungsmäßigen" Einfluß zu nehmen.— ') Bestätigt durch Artikel 1 der auf den Haager
Friedenskonferenzen vereinbarten „Bestimmungen betreffend die Gesetze und Gebräuche des
Landkriegs".— ') An die Stelle des derzeit noch geltenden Wehrgesetzes vom Jahre 1889
wird voraussichtlich demnächst ein neues Wehrgesetz treten, dessen Bestimmungen
bei der nachfolgenden Darstellung berücksichtigt sind. Für Bosnien und die Herzegowina
steht noch das provisorische Wehrgesetz vom Jahre 1881 in Wirksamkeit.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918