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XL. Stand, Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung. 177
Heilanstalten und die Bewilligung privater Kranken- und Irren-
anstalten. Die Gesundheitspolizei begegnet, soweit der Stand unserer
Kenntnisse und die Mittel es erlauben, den Gefahren, die der Gesundheit drohen,
und setzt die angeordneten Maßnahmen nötigenfalls mit Zwangsgewalt durch.
Die AVege weist ihr die hygienische Wissenschaft ; welche Fortschritte diese in den
letzten Jahrzehnten, insbesondere dank der Ausbildung der Bakteriologie, erzielt
hat, ist allgemein bekannt. An die Gesundheitsverwaltung angegliedert ist die
Veterinärverwaltung, welche die Krankheiten der Haustiere unter
gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten bekämpft.
An der öffentlichen Gesundheitsverwaltung sind Staat und Gemeinde, an
der Errichtung und Erhaltung der hiezu erforderlichen öffentlichen Kranken-
häuser und sonstigen Anstalten^) auch die Länder und Bezirke beteiligt. Die
Kompetenzen werden durch das Reichsgesundheitsgesetz von 1870 zwischen dem
Staate, dem selbständigen und dem übertragenen Wb-kungskreise der Gemeinden
aufgeteilt. Als Hilfsorgane der staatlichen Gesundheitsverwaltung sind bei sämt-
lichen politischen Behörden ärztlich gebildete Beamte tätig. Als Beiräte stehen
dem Ministerium des Innern der k. k. oberste Sanitätsrat, den Landesstellen
Landessanitätsräte zur Seite, die ehrenamtlich aus Fachmännern zusammen-
gesetzt sind. Die Landessanitätsgesetze organisieren den ärztlichen Dienst für
die Gemeinden und legen in dieser Absicht kleinere Gemeinden zu Sanitäts-
distrikten zusammen.
Von den vielseitigen Bestrebungen der Gesundheitspolizei wird
hier nur hervorgehoben die Bekämpfung von Infektionskrankheiten, die leider
noch immer einer gesetzlichen Grundlage für die \ielfach unvermeidlichen Ein-
griffe in den persönlichen Freüieitsbereich und in das Privateigentum entbehrt.
Auch der Impfzwang ist nicht gesetzlich geregelt. Hingegen begegnen eingehende
gesetzliche Vorschriften den Gefahren, die aus dem Handelsverkehr mit Nahrungs-
und Genußmittelnund gewissen Gebrauchsgegenständen entstehen können. Diesem
Zwecke dienen auch die öffentlichen Untersuchungsanstalten, deren Eim-ichtung
und Betrieb durch Verordnungen geregelt ist. Auch erteilt das Gesetz der
Regierung weitgehende Vollmachten, um in den Lebensmittelverkehr durch Polizei-
vorschriften einzugreifen.
Hygienisch wichtig ist auch das Begräbniswesen. Die Obsorge für
die Totenbeschau und für die Herstellung von Friedhöfen obliegt den Gemeinden.
Doch tritt die Verpflichtung, einen Gemeindefriedhof herzustellen, erst dann ein,
wenn die bestehenden konfessionellen Friedhöfe unzureichend sind und nicht
erweitert werden können. Aber auch diese unterstehen als Sanitätsanstalten der
Gemeinde hinsichtlich der Handhabung der gesundheitstechnischen Vorschriften.
Wie wichtig dieW oh nw e i s e für die Gesundheit und Lebenshaltung der
Bevölkerung ist, wird vieKach noch verkannt. Die Wohnweise hängt von der
Anlage der Ortschaften, von der Bauweise, dann von der Zahl, der Beschaffenheit,
dem Preise und der Art der Benützung der Wohnungen ab. Das rasche Anwachsen
der Städte und Industrieorte bewirkt, daß die Bodenpreise emporschnellen und
^) Der öffentliche Charakter bewirkt, daß die Verpflegskosten nötigenfalls durch admi-
nistrative Exekution hereingebracht werden und daß der Landesfonds des HeimatsUndes des
Verpflegten ersatzweise für dieselben haftet.
Rauchberg, Biirgerkunde. 12
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918