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Vor 1918
Österreichische Bürgerkunde
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184 XLII. AllgemeineGesichtspunkte der Wirtschajis-und Sozialpolitik. bedingungen zu erzielen, bringen, selbst wenn sie Erfolg haben, schwere Störungen des Erwerbslebens mit sich und legen beiden Teilen große Opfer auf. Es ist daher begreiflich, daß mit der Ausbreitung der kapitalistischen Pro- duktionsweisesozialistische Theorien aufkamen, welche grundsätzlich die gesellschaftliche Ordnung des Produktionsprozesses und demnach auch die gesellschaftliche Verteilung der Arbeitsprodukte verlangen. So sehr auch die An- sichten darüber auseinandergehen, wie dies zu bewerkstelligen sei, so stimmen diese Theorien doch darin überein, daß das Privateigentum an den Produktionsmitteln die sozialen Mißstände veranlaßt habe und daher durch Kollektivbesitz ersetzt werden solle. Unter den verschiedenen sozialistischen Theorien hat insbesondere die von Karl Marx und Friedrich Engels begründete Lehre, die auf dersogenannten materialistischen Geschichtsauffassung beruht^), dadurch politische Bedeutung gewonnen, daß sie dem Programm der sozialdemokratischen Partei zugrunde liegt, das den wirtschaftlichen Kollektivismus mit radikalen demo- kratischen Forderungen vereinigt^). Die Sozialdemokratie erstrebt die politische Macht und in letzterLinie dieHerrschaft über denStaat,um dievolkswirtschaftliche Produktion nach sozialistischen Grundsätzen organisieren zu können. Sie ist inter- national, indem ihre Ziele in allen Kulturländern die gleichen sind. Und sie steht auf dem Standpunkte des Klassenkampfes, indem sie allenthalben das besitzlose Proletariat den bürgerlichen Klassen gegenüberstellt und den gegenwärtigen Staat als eine Organisation dieser letzteren bekämpft. Die positive Sozialreform, welche gegenwärtig durch die Wirt- schaftspolitik fast aller Kulturstaatenangestrebt undnicht nurvon denbürgerlichen Parteien, sondern in der Regel auch von der Arbeiterpartei unterstützt wird, lehnt sowohl die individualistische als auch die sozialistische Auffassung ab. Sie will durch Maßnahmen der Gesetzgebung und der Verwaltung eine gesellschaftliche Ordnung schaffen, die den berechtigten Anforderungen der verschiedenen Gesell- schaftsschichten entspricht und, soweit sie einander widersprechen, diedem Gemein- wohl, der Kulturentfaltung und dem Staatsinteresse entsprechende Mittellinie ziehen. Dadurch, daß sie das rücksichtslose Walten der Selbstsucht und den KlassenkampfdurchEingreifenderöffentlichenGewalteinschränkt, stehtdiepositive Sozialreform im Gegensatze zu dem wirtschaftlichen Liberalismus, der den Staat auf die Rolle des Zuschauers bei den sozialen Kämpfen beschränkt. Dadurch, daß sie an den Grundlagen der bestehenden Gesellschaftsordnung und der darauf beruhenden Staatsverfassung grundsätzlich festhält, steht sie im Gegensatze zu dem revolutionären Sozialismus. Die Meinung, daß der Staat in das wirtschaftliche und soziale Leben nicht eingreifen solle, ist also abgetan. In welcher Weise er aber eingreifen solle, darüber gehen die Ansichten der einzelnen Parteien freilich auseinander. Der reform- freundliche Liberalismus legt das Hauptgewicht auf die Förderung der privaten Initiativeund die freien Organisationen. Die konservative oder autoritäre Richtung *) Vergl. über die Marx'sche Lehre K. Kautsky: ,,Karl Marx' ökonomische Lehren", 13. Aufl., Stuttgart 1910 (Darstellung aus der Feder eines unbedingten Anhängers); dazu R. Stammler: , .Wirtschaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung", 2. Aufl., Leipzig 1906.— *) Vergl. A. S c h ä f f 1 e: ,,Die Quintessenz dos Sozialismus", und ,,Die Aussichts- losigkeit der Sozialdemokratie". Auch W. Sombart: ,,Sozialismus und soziale Bewegung", 6. Aufl., 1908.
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Österreichische Bürgerkunde
Title
Österreichische Bürgerkunde
Author
Heinrich Rauchberg
Publisher
Verlag von F. Tempsky
Location
Wien
Date
1911
Language
German
License
PD
Size
16.4 x 24.0 cm
Pages
278
Categories
Geschichte Vor 1918
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