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186 XLII. AllgemeineGesicMspunkte der Wirtschafts-und Sozialpolitik.
Zeit immer mehr hervor, besonders im Verkehrswesen, bei der Versorgung mit
Wasser und Licht und in den verschiedenen Monopolverwaltungen. Die gesell-
schaftlichen Unternehmungsformen machen die Unternehmung unabhängig von
demVermögenund derLeitung einer einzigenPerson; sie sind das Mittel,ummehrere
Personen und größere Kapitalien heranzuziehen. Die Rechtsformen hiefür sind
teils durch das allgemeine Handelsgesetzbuch^), teils durch besonderes Vereinsrecht
geregelt^). Als solche kommen insbesondere in Betracht: die offene und die stille
Handelsgesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Aktien-
gesellschaft und die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft.
Die offene Handelsgesellschaft vereinigt die Arbeits- und
Kapitalskraft zweier oder mehrerer Personen dergestalt, daß jede mit ihrem ganzen
Vermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet; der stille Gesell-
schafter setzt nur seine Kapitalseinlage ein. Die Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung^) verbindet durch den Gesellschaftsvertrag eine
Anzahl individuell bestimmter Teilnehmer in der Weise, daß jeder zumindest
mit einer gewissen Stammeinlage beteiligt ist, deren Betrag für die einzelnen Gesell-
schafter verschieden festgesetzt werden kann. Für die Verbindlichkeiten der
Gesellschaft haftet nur das Gesellschaftsvermögen; die Geschäftsanteile sind über-
tragbar und vererblich^). Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung bildet den
Übergang zur unpersönlichen Unternehmungsform der Aktiengesellschaft^).
Hier wird das Gesellschaftskapital in eine Anzahl gleich großer Teile, in Aktien
zerlegt. Jeder einzelne Teilnehmer übernimmt eine beliebige Anzahl von Aktien,
sei es durch Einzahlung bei der Gründung oder späterhin durch Kauf. Diese Unter-
nehmungsform beschränkt die Haftung der Teilnehmer auf ihre Aktienanteile,
sie verteilt das Risiko, ermöglicht es, zahlreiche Personen und große Kapitalien
heranzuziehen, macht die Kapitalsanlage infolge der Übertragbarkeit der Aktie
leicht beweglich und stellt die Unternehmung unabhängig von der Persönlichkeit
der einzelnen Teilnehmer. Daher die große Ausbreitung und Wichtigkeit dieser
Unternehmungsform dort, wo große Kapitalien in Betrieben verwertet werden
sollen, die nach festen Regeln vor sich gehen und nicht auf die persönliche Be-
fähigung des Unternehmers gestellt sind®).
Ist die Aktiengesellschaft voi-aus eine Zusammenballung von Kapitalien,
so überwiegt bei derErwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft
die persönliche Seite'): sie ist eine Gesellschaft von nicht geschlossener Mitglieder-
zahl, um den Erwerb oder die Wktschaft der Teilnehmer durch gemeinschaftlichen
^) Vergl. oben S. 149.— ') Die auf Gewinn berechneten Vereine und Gesellschaften
unterliegen nicht dem allgemeinen Vereinsgesetz vom 15. November 1867, sondern den
Bestimmungen des kaiserlichen Patentes vom 26. November 1852 oder besonderen Be-
stimmungen. — *) Geregelt durch das Gesetz vom 6. März 1906. — *) Im Jahre 1909
bestanden in Österreich 743 Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit 8044 Gesell*
schaftern, mit einem Stammkapitale von 205 Millionen und einem eingezahlten Kapitale
von 173"4 Millionen Kronen. — *) Die näheren Bestimmungen über die Errichtung
und Umbildung von Aktiengesellschaften auf dem Gebiete der Industrie und des Handels sind
in dem sogenannten Aktienregulativ (Verordnimg vom 20. September 1899) enthalten.
— •) Im Jahre 1908 bestanden (ohne die Eisenbahnen) in Österreich 661 inländische Aktien-
gesellschaften mit einem Nominalkapitale von 2823 Millionen Kronen. — ') In Österreich sind
die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften geregelt durch das Gesetz vom 9. April 1873.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918