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192 XLIII. Die Landmrtschaft.
Daher gehört das Wasserrecht mit zur Agrarpolitik ; es regelt die
Rechtsverhältnisse an Gewässern aller Art, soweit sie menschlicher Herrschaft unter-
liegen. Ein Reichsgesetz stellt die privatrechtlichen Rechtssätze hierüber auf und
zieht die Grundlinien für die verwaltungsrechtliche Ordnung ; die nähere Ausführung
derselben liegt in Landesgesetzen. Zur Ausführung, Erhaltung und Ausnützung
vonim Interesse der Landeskultur gelegenen Wasserbauten können entweder durch
freie Übereinkunft der Beteiligten oder auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen
durch behördlicheVerfügungWassergenossenschaftengebildet werden,
deren Mitglieder die Eigentümer der einbezogenen Grundstücke sind. Zu ihren
Gunsten können Grundstücke und Wasserrechte von geringerem wirtschaftlichen
Nutzen enteignet werden^). Kulturtechnische Unternehmungen werden durch
Subventionen und Darlehen aus dem staatlichen Meliorationsfonds
gefördert; auch bestehen besondere gesetzliche Bestimmungen und Organisationen
für den Meliorationskredit. Zu den Meliorationen sind auch die
Maßnahmen zurAufforstung öderFlächen unddieWildbachverbau-
u n g e n zu rechnen.
Die zahlreichen öffentlich-rechtlichen Maßnahmen zur Förderung des
Land- und Forstwirtschaftsbetriebes können hier nur dem
Namen nach erwähnt werden. Sie bezwecken den Schutz des Ackerbaues gegen
Schädlinge, fördern die Viehzucht durch Bekämpfung der Viehseuchen und durch
Prüfung des zur Nachzucht verwendeten Materiales, bekämpfen den „Feld-
frevel" durch besonderen Schutz des Feldgutes, ordnen die Arbeitsverhältnisse
durch strengere Bindung der landwirtschaftlichen Arbeiter in den Dienstboten-
ordnungen und versuchen in einzelnen Ländern auch die Arbeitsvermittlung zu
organisieren.
Besonders eingehend wird dieForstwirtschaft wegen der klimatischen
Bedeutung der Wälder und der Gefahr vorzeitigen Abholzens überwacht. Schon
das Reichsforstgesetz von 1852 hat den Grundsatz aufgestellt, daß Waldgrund
ohne behördliche Bewilligung der Holzzucht nicht entzogen werden darf. Schlag-
flächen müssen \vieder aufgeforstet, Blößen nachgesetzt werden. Weiter beschränkt
werden die Waldbesitzer durch Schutz- und Bannlegung der Wälder. Mannigfache
Maßnahmen zum Schutze der Waldbestände haben die Landesgesetzgebungen
getroffen; sie bindenjede Holzfällung oder doch den Kahlhieb an eine behördliche
Bewilligung, verbieten forstschädliche Waldweide, stellen die Bewirtschaftung
der Gemeindewälder unter fachmännische Kontrolle und fördern die Aufforstung.
1) Zur Befahrung mit Schiffen oder Flößen geeignete Wasserläufe sind öffentliches Gut,
sie stehen dem Gemeingebrauch offen; andere Gewässer können im Privateigentum stehen. Der
Gebrauch öffentlicher Gewässer durch besondere Anlagen (wie überhaupt jede Anlage, wodurch
der Stand, das Gefälle oder der Laufeines Gewässersgeändertwird) bedarfeiner behördlichenBe-
willigung (Konzession). Durch die Konzession wird ein dingliches Recht aufWasserbenützung be-
gründet, dasauf den jeweiligen Besitzerder BetriebsanlageoderderberechtigtenLiegenschaftüber-
geht. Aber auch der Gebrauch der Privatgewässer wird durch öffentlicheRücksichten beschränkt.
Die Wasserkräfte haben durch den modernen technischen Fortschritt sehr an Bedeutung gewonnen.
Das österreichische Wasserrecht verfolgt die Absicht, die Wasserkraft jenen Unternehmungen
zuzuführen, welche die größere wirtschaftliche Bedeutung besitzen; ob dabei auch das Zukunfts-
interesse an der Ausnützung der Wasserkräfte für staatliche oder sonstige öffentliche Zwecke
genügend gewahrt wird, ist eine andere Frage.
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book Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918