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XLV. Der Verkehr. 207
Die Entstehung von volkswirtschaftlich erwünschten Privatbahnen wird vom
Staate und den beteiligten Selbstverwaltungskörpern, insbesondere den Ländern,
auf mannigfache Weise gefördert. Die wichtigsten Mittel hiezu sind die Ertrags-
garantie, die Übernahme von Aktien und die Gewährung von Darlehen (Eisen-
bahnsubventionen). Um die Kapitalsbeschaffung zu erleichtern, w^urde •
den Unternehmungen früher zumeist ein gewisser Reinertrag garantiert. Die üblen
Erfahrungen, die man mit diesem System gemacht hat, veranlaßten den Übergang
zur sogenannten beschränkten Ertragsgarantie. Sie besteht darin, daß die Garantie
auf die Verzinsung jenes Teiles des Kapitales beschränkt bleibt, die durch Prioritäts-
aktien oder Prioritätsobligationen^) aufgebracht wird, während der Rest an der
Garantie nicht teilnimmt; dadurch werden die Unternehmer zur Sparsamkeit
beim Bau und Betrieb veranlaßt. Die etwa geleisteten Garantievorschüsse bilden
in der Regel ein Darlehen an die Unternehmung, das bei besserem Erträgnis zurück-
zuzahlen ist. Die Errichtung von Lokalbahnen wird seitens der daran interessierten
Selbstverwaltungskörper in der Regel durch Übernahme von Aktien oder Ge-
währung von Darlehen gefördert.
Bau und Betrieb der Eisenbahnen sind überwiegend technische, die Eisen-
bahntarife überwiegend wirtschaftliche Angelegenheiten. In allen diesen Hinsichten
stehen auch die Privatbahnen unter staatlicher Aufsicht ; die weitgehende Einfluß-
nahme, die sich der Staat auf die Tarife vorbehalten hat, wird als Tarifhoheit
bezeichnet. Die Sicherheit und Ordnung des Betriebes wird durch das Eisenbahn-
betriebsreglement aufrecht erhalten, welches die Eisenbahnorgane auch mit den
dazu erforderlichen obrigkeitlichen Befugnissen ausstattet. Es gilt in gleicher
Weise auch für Ungarn; die Bestimmungen über den internationalen Frachten-
verkehr sind von den daran hauptsächlich beteiligten Staaten des europäischen
Kontinents vereinbart worden.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, das Eisenbahnnetz derösterreichisch-
ungarischen Monarchie darzustellen und die Bedeutung der einzelnen Linien zu
erörtern^). Wir müssen uns darauf beschränken, eine gedrängte Übersicht über
die geschichtliche Entwickelung der österreichischen Eisenbahnen und die Aus-
bildung des Staatseisenbahnnetzes zu geben. Im Jahre 1836 erhielt die Nordbahn
als erste Lokomotiveisenbahn Österreichs ihr Privilegium. In den Vierziger]ahren
des vorigen Jahrhunderts ging Österreich zum Staatsbahnsystem über. Fast alle
großen Linien gelangten in den Besitz des Staates; aber unter dem Drucke der
Finanznot wurden sie um die Mitte der Fünfziger]ahre mit großen Verlusten
wieder an Privatunternehmungen veräußert. In den nächsten Jahrzehnten herrschte
1) Das sind solche Aktien, bezw. Schuldverschreibungen, zu deren Verzinsung das
Erträgnis zunächst zu verwenden ist. Nur der darnach erübrigende Teil des Erträgnisses
kann zur Zahlung einer Dividende für die „Stammaktien" verwendet werden. — ') Stati-
stische Angaben über die Länge des Eisenbahnnetzes in den einzelnen Ländern und sein
Verhältnis zur Größe und Einwohnerzahl der Länder finden sich in der Tabelle 26 desAnhangs.
Ende 1910 war das österreichische Eisenbahnnetz (Haupt- und Lokalbahnen) 22.873km lang.
Hieven standen 19.139 km im Staatsbetriebe. In den österreichischen Haupt- imd Lokalbahnen
waren 1908 7-8 Milliarden Kronen angelegt; die Bahnen beförderten in diesem Jahre 228 Millionen
Personen zusammen über mehr als 7 Milliarden Kilometer und 155 Millionen Tonnen über nahezii
15 Milliarden Tonnenkilometer. Das Eisenbahnnetz ist aus jeder Verkehrskarte zu entnehmen.
Vergl. z. B. G. Freytags Verkehrskarte von Österreich-Ungarn. 1911.
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Österreichische Bürgerkunde
- Title
- Österreichische Bürgerkunde
- Author
- Heinrich Rauchberg
- Publisher
- Verlag von F. Tempsky
- Location
- Wien
- Date
- 1911
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.4 x 24.0 cm
- Pages
- 278
- Categories
- Geschichte Vor 1918