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Vorwort
váth, etwa von Alfred Kerr und Julius Bab, die das „Episodige“ bzw. ‚Zersplitterte‘ an
Horváth kritisierten,69 ein Makel, der ihn also zeitlebens begleitete.
Die weitere Rezeption vonHimmelwärts bestätigte die zeitgenössischen Einschät-
zungen. Horváths „Märchen in zwei Teilen“ gehört zweifellos zu den weniger oft
gespielten Stücken des Autors. Traugott Krischke vermutet, dass Horváth durch
Heinz Hilperts Inszenierung von Ferdinand Bruckners Drama Die Verbrecher (UA:
23.10.1928, Deutsches Theater Berlin) zu seiner Dreiteilung der Bühne in Himmel-
wärts angeregt wurde. In der Inszenierung Hilperts spielt das Geschehen auf drei Eta-
gen eines Mietshauses, was Horváth in ähnlicher Weise jedoch bereits in seinem frü-
hen Drama Niemand (1924) umgesetzt hat. Eine weitere mögliche Anregung sieht
Krischke in Walter Hasenclevers Komödie Ehen werden im Himmel geschlossen (UA:
12.10.1928, Kammerspiele des Deutschen Theaters Berlin), in der der liebe Gott, St.
Peter und Maria Magdalena „in moderner Kleidung“ in einem „Himmels-Salon“ auf-
treten.70
Besonders für die beiden Vorarbeiten (VA1 und VA2) hat aber wohl eher Ferdinand
Raimunds ZaubermärchenDas Mädchen aus der Feenwelt oder Der Bauer als Millionär
(1826) Pate gestanden.71 Mit Motiven aus demselben sowie aus Raimunds Stücken
Der Alpenkönig und der Menschenfeind (1828) und Der Verschwender (1834) schrieb
Horváth 1934/35 auch ein Filmexposé mit dem TitelBrüderlein fein!72 Ebenso könnte
Nestroys KomödieZu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glücks (1835)
den Autor zu seiner Dreiteilung der Bühne inspiriert haben. Die Beschäftigung mit
Nestroy, insbesondere mit dessen KomödieEinen Jux will er sich machen (1842), die
Horváth gemeinsam mit Bobby E. Lüthge zu einem Filmdrehbuch umarbeitete,73 fällt
ziemlich genau in die Zeit der Entstehung vonHimmelwärts und war wohl auch schon
für die Posse Hin und her (1934) einflussreich. Der auf Horváths und Lüthges Dreh-
buch basierende Film Das Einmaleins der Liebe (Regie: Carl Hoffmann) lief am
20.September 1935 in Berlin an.74 Horváths MärchenHimmelwärts, das der Autor zu
einem Drehbuch mit dem TitelEin Pakt mit dem Teufel verarbeiten wollte (vgl. K2/E1
und E2) oder möglicherweise sogar verarbeitet hat, erfuhr jedoch bis heute keine Ver-
filmung.
Was das Stück genauso wie die KomödienHin und her (1934) und Figaro läßt sich
scheiden (1936) für heutiges Publikum relativ problematisch erscheinen lässt, ist der
darin anhand der weiblichen Hauptfigur dargestellte „Regress zur Mutter“, der Hor-
váths Komödien nach 1933 in die Nähe der „geschlechtsideologischen Muster der ‚Ge-
genseite‘“75, also der Nationalsozialisten, rückt. Wenn Mutterschaft und die bürger-
liche Kleinfamilie – Vater, Mutter, Kind – zum Leitbild einer entpolitisierten und
tendenziell unkünstlerischen Gesellschaftsschicht werden, ist der Schritt zur (gesell-
schafts-)politischen Reaktion kein großer mehr. Horváth wird diese Problematik erst
69 Vgl. WA3, S. 5f. und 29.
70 KW7, S. 467.
71 Vgl. Johanna Bossinade: Vom Kleinbürger zum Menschen. Die späten Dramen Ödön von Hor-
váths. Bonn: Bouvier 1988 (= Abhandlungen zu Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft,
Bd. 364), S. 163f. und 168.
72 ÖLA 3/W 252 – BS 2, Bl. 1–7; abgedruckt in KW 15, S. 151–158; vgl. auch Bossinade 1988
(Anm. 71), S. 163.
73 Vgl. Polt-Heinzl/Schmidjell 2001 (Anm. 53), S. 241–246.
74 Vgl. ebd., S. 246.
75 Vgl. Bossinade 1988 (Anm. 71), S. 186f.
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Volume 1
- Title
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Subtitle
- Historisch-kritische Edition
- Volume
- 1
- Author
- Ödön von Horváth
- Editor
- Klaus Kastberger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 338
- Categories
- Weiteres Belletristik