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Lesetext
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Platzverhältnisse waren hundsmiserabel. (Er zeigt ein Abzeichen.) Das ist das
Abzeichen von meinem Fußballklub.
ST. PETRUS Bist also ein großer Fußballer?
BUB Ein sehr ein großer!
ST. PETRUS Brav, sehr brav! Dafür bekommst du auch was besonders Schönes! Rat
einmal, was ich dir mitgebracht hab! Deine Flügel!! (Er bindet ihm zwei Kinder-
flügel um.) Jetzt flieg nur schnell hinunter! Dort spielen all die seligen Fußball-
spieler! Da kannst zuschaun bis in alle Ewigkeit!
(vielstimmiger Schrei in der Ferne)
ST. PETRUS Das war ein Goal!
BUB Fein! Krieg ich aber auch einen guten Platz?
ST. PETRUS Bei uns gibts nur Tribüne! Bei uns sitzt jeder in der Mitte!
BUB Fein! (rasch ab durch das Himmelstor und wieder ein vielstimmiger Schrei in
der Ferne)
ST. PETRUS Schon wieder ein Goal! Zwar, solangs nur Fußball spielen, gehts ja noch
an! Aber neulich kommt da so ein zweijähriger Knirps daher und fangt mit mir an
zu politisieren – na gute Nacht! (Er öffnet den Briefkasten, entnimmt ihm eine
Zeitung und blättert in ihr.) Was?! Der Staatssekretär Roßkopf ist schon vor drei
Tagen gestorben und ist noch nicht da– hm, hm. Dann wird er wohl ganz drunten
gelandet sein, hätts nicht gedacht, hat doch immer so fromme Reden geführt –
hm!
FRAU STEINTHALER (kommt und sieht recht abgehärmt aus.) Guten Morgen, Herr
Sankt Petrus!
ST. PETRUS Habe die Ehre! Mit wem habe ich denn das Vergnügen?
FRAU STEINTHALER Ich bin, das heißt: Ich war die Frau Leopoldine Steinthaler, ge-
borene Gruber, Gerichtsvollzieherswitwe.
ST. PETRUS Der Herr Gemahl ist also auch schon tot?
FRAU STEINTHALER Ja, aber der sitzt in der Höll.
ST. PETRUS Auweh!
FRAU STEINTHALER Er hat sich nie um seine Familie gekümmert, alles Geld hat er ins
Wirtshaus getragen –
ST. PETRUS (unterbricht sie zart.) Jaja, da kann man nix machen. Habens ein ange-
nehmes Sterben gehabt?
FRAU STEINTHALER Dank der Nachfrag. Ich war sehr müd.
ST. PETRUS Liebe Frau, jetzt könnens Ihnen ja ausruhn –
FRAU STEINTHALER Ist es hier immer so hell?
ST. PETRUS Immer, immer.
(Sphärenmusik)
FRAU STEINTHALER (lauscht und lächelt dann traurig.) Ich möcht ja so gern froh
sein, aber wissens, Herr Sankt Petrus, ich hab ein Kind drunten zurückgelassen,
eine einzige Tochter– ist erst achtzehn Jahr alt und möcht zum Theater. Sie hat ei-
nen schönen Sopran, die Luise, aber sie kommt halt nicht vor. Jetzt wartets schon
sieben Wochen vor dem Bühnentürl, damit sie dem Herrn Intendanten was vor-
singt, aber der laßt sich immer verleugnen. Sie hat halt keine Protektion –
ST. PETRUS Kommens, Frau Steinthaler! Bedenkens, wie kurz ist das Leben, und Sie
sind im Himmel! Kommens!
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Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Volume 1
- Title
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Subtitle
- Historisch-kritische Edition
- Volume
- 1
- Author
- Ödön von Horváth
- Editor
- Klaus Kastberger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 338
- Categories
- Weiteres Belletristik