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250 Lesetext
V.
Auf der Erde.
Wieder vor dem Bühnentürl, und wieder hört man gedämpft die Abendvorstellung
heraus, Musik und Gesang.
LUISE wartet noch immer auf dem Bankerl.
DER BÜHNENPORTIER (tritt aus dem Bühnentürl mit einer zusammengerollten
schwarzen Fahne; er erblickt LUISE.) Was seh ich?! Schon wieder?!
LUISE (dumpf, jedoch entschlossen) Ich wart auf den Intendanten.
PORTIER Noch immer? Da könnens jetzt aber lang warten! Sehens die schwarze
Fahne? Der Herr Intendant ist nämlich tot!
LUISE (schnellt empor.) Tot?! Seit wann denn?
PORTIER (hißt während des folgenden umständlich seine Fahne über dem Bühnen-
türl.) Grad vor einer halben Stund hat ihn ein Herzkrampf befallen, wie er sich
grad hat rasieren wollen –
(Pause)
LUISE Na sowas. Jetzt wart ich schon dreizehn Wochen auf eine mir günstige Gele-
genheit, und derweil wart ich auf einen, dens gar nimmer gibt. Beispiellos.
PORTIER (hat nun die Fahne gehißt.) Das ist gar nicht beispiellos, daß einen der Teu-
fel holt!
LUISE Aber so aus heiterstem Himmel? (Sie setzt sich wieder.)
PORTIER Nicht setzen! So gehens doch heim! Auf was wartens denn noch?
LUISE Auf den neuen Intendanten.
PORTIER (starrt sie perplex an, zuckt dann die Achseln.) Mir scheint, Sie sind beses-
sen– (Er will ab durch das Bühnentürl.)
LUISE (plötzlich, fast schrill) Herr Portier! Wann wird er denn begraben, der tote In-
tendant?
PORTIER Übermorgen.
LUISE Pompös? Ich meine, ob er pompös begraben wird oder nur so in aller Stille?
PORTIER Erstens wird er nicht begraben, sondern verbrannt. Zweitens wird er logi-
scherweise pompös begraben, wollt sagen, verbrannt!
LUISE Halt! Glaubens, daß ich bei dieser Einäscherung etwas finden könnt – ich
meine etwas Gesangliches, so etwa im Trauerchor?
PORTIER Im Chor?
LUISE (kleinlaut) Ja.
PORTIER Aha, Sie gebens schon billiger! (ab durch das Bühnentürl)
LUISE Aber nur vorübergehend!
(Während der folgenden Szene wird es auf Erden nicht dunkel.)
VI.
In der Hölle.
DerTEUFEL geht in einem etwas abgelegenen Winkel allein auf und ab. Von fern her
hört man das monotone Winseln und Zähneklappern der armen Seelen.
TEUFEL Endlich allein! Keine angenehme Beschäftigung hab ich mir da aussuchen
müssen, wenn ich denk, daß das immer so weiter– – immer nur drauf achten, daß
es den vermaledeiten Herrschaften heut schlechter geht, damit sie es morgen mer-
ken, wie gut es ihnen gestern gegangen ist – na servus! (Er ruft.) He Vizeteufel!
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45 Himmelwärts Endfassung, emendiert
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Volume 1
- Title
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Subtitle
- Historisch-kritische Edition
- Volume
- 1
- Author
- Ödön von Horváth
- Editor
- Klaus Kastberger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Wien
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 338
- Categories
- Weiteres Belletristik